Bundesgerichtshof bestraft Lieferanten

Unternehmen beklagen unzumutbare Auslegung der Vorsatzanfechtung

21.02.2013 - 10:37

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Schönfelder
Unternehmer fühlen sich mehr und mehr verunsichert. Immer unzumutbarere Auslegungen der Vorsatzanfechtung nimmt ihnen jede Rechtssicherheit.

Der BGH (Bundesgerichtshof) verurteilte jüngst einen Unternehmer, an einen Insolvenzverwalter rund 112.000 Euro nebst Zinsen seit September 2005 zurückzuzahlen (Urteil v. 06.12.2012 – IX ZR 3/12); Grundlage war die Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO (Insolvenzordnung). Der Warenlieferant war bereit gewesen, seinem gewerblich tätigen Kunden bei der Rückzahlung fälliger Rechnungen entgegenzukommen. Nacheinander schloss er daher mit dem Kunden seit März 2004 mehrere Teilzahlungsvereinbarungen, die sich an den jeweiligen finanziellen Möglichkeiten des Kunden orientierten; anderthalb Jahre später wurde gleichwohl das Insolvenzverfahren eröffnet. Nunmehr, über sieben Jahre später, muss der Lieferant einen großen Teil der erhaltenen Ratenzahlungen an den Insolvenzverwalter zurückzahlen.

Eigenwillige Deutung
Nach § 133 Abs. 1 InsO ist u. a. eine Zahlung des Schuldners anfechtbar, wenn er sie innerhalb von zehn Jahren vor dem Insolvenzantrag mit dem Vorsatz erbracht hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, und der Empfänger diesen Vorsatz kannte. Was vom Gesetzgeber für beinahe kriminelles Verhalten gedacht war, wird heute von der Rechtsprechung auch auf alltägliche Zahlungen von Unternehmen in der Krise angewendet. Meist mit der Begründung, dass ein zahlungsunfähiger Schuldner (nahezu) stets mit Vorsatz handle, wenn er trotzdem noch an einzelne Gläubiger zahlt – und dass die Empfänger das auch wüssten, wenn ihnen die Unternehmenskrise bekannt war.

Rechtssicherheit adieu!
„Das ist für mich der Verlust der Rechtssicherheit hoch drei“, so der Geschäftsführer der Bremer Inkasso GmbH, Bernd Drumann. „Der Gesetzgeber ist dringend gefordert, diesen unzumutbaren Auslegungen der Vorsatzanfechtung endlich ein Ende zu setzen“, so Drumann weiter. Ein rechtssicheres Forderungsmanagement in den Unternehmen, aber auch bei den hierzu berufenen Rechtsdienstleistern wie Inkassounternehmen oder Rechtsanwälten ist so nicht mehr gewährleistet. Nicht nur die Bereitschaft, gemeinsam mit langjährigen Kunden nach Wegen aus deren Krise zu suchen – etwa durch Stundung oder Ratenvereinbarung –, wird so „bestraft“. Auch jede einfühlsame, kundenerhaltende vorgerichtliche Inkassodienstleistung oder anwaltliche Tätigkeit soll scheinbar ohne das Testat eines vereidigten Buchprüfers und den Beweis in der Tasche, dass etwa keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt, faktisch ausgeschlossen sein.

Rücklastschrift schon Indiz für Krise – grotesk!
Jedes noch so kleine Indiz für eine Zahlungsunfähigkeit wie z. B. Rücklastschrift, hohe offene Forderungen oder die Bitte des Kunden um Teilzahlungen kann Lieferanten in einem späteren Insolvenzverfahren zum Verhängnis werden: Jedes solche Indiz für sich oder in Verbindung mit anderen, kann – je nach den Umständen – von Insolvenzverwaltern und schließlich Gerichten so gedeutet werden, dass der Lieferant daraus zwingend auf eine Krise des Kunden schließen musste. Entlasten kann sich der Lieferant dann später nur, wenn er beweisen kann, dass die einmal erlangte „Kenntnis“ von der Zahlungsunfähigkeit bei der Zahlung wieder entfallen war. Dafür soll dann aber die Tilgung der eigenen Forderung des Lieferanten allein wohl nicht reichen, selbst wenn er keine weiteren Kenntnisse über die Finanzen des Schuldners hatte. Ist der Kunde nämlich ein gewerbliches Unternehmen, müsse der Lieferant damit rechnen, dass es noch weitere Gläubiger gibt. Ein Gläubiger aber, der mit seinem Schuldner nach Eintritt der Zahlungseinstellung mehrere Zahlungsvereinbarungen zwecks Abwendung der Insolvenz schließt, darf – nach BGH – jedenfalls grundsätzlich nicht davon ausgehen, dass die Forderungen jener anderen Gläubiger in vergleichbarer Weise bedient werden wie seine eigenen.

Entlastung nicht möglich
„Ein solcher Lieferant kann sich praktisch nie entlasten. Sicherheit hätte er wohl nur, wenn er sich bezogen auf den Zeitpunkt einer jeden Zahlung eine Liquiditätsbilanz vorlegen ließe. Vertrauen darf der Lieferant weder seinem eigenen Gefühl (denn ob ein Gericht genauso fühlt, steht in den Sternen), noch den – nicht durch betriebswirtschaftliche Zahlen belegten – Aussagen seiner Kunden. Hat der Kunde (wie regelmäßig) solche Zahlen nicht, wird der Lieferant eine Zahlungsvereinbarung ablehnen und stattdessen vollstrecken oder dem Kunden einen sofortigen Insolvenzantrag empfehlen müssen. Würden aber alle Lieferanten so handeln, würden massenhaft Unternehmen ohne Not in die Pleite getrieben“, so der Geschäftsführer der Bremer Inkasso GmbH abschließend.
Foto: © Marco Weber/BDIU / www.inkasso.de

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