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Verschwundene Ware
OLG Bremen, JurBüro 2004, 338


es HansOLG Bremen, 2004, 338 338 - HansOLG Bremen, Urteil v. 23. 1. 2004 - 4 U 36 / 03 -
DJB 2004, 338



InsO § 22, 60

Insolvenzverfahren / Haftung des vorläufigen und späteren endgültigen Insolvenzverwalters / nach Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens verschwundene Waren
Zur Frage der Haftung des vorläufigen und späteren endgültigen Insolvenzverwalters für nach der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens vom Betriebsgelände der Insolvenzschuldnerin verschwundenen Waren. (L.d.R.)

HansOLG Bremen, Urteil vom 23.1.2004 - 4 U 36 / 03 -

Aus den Gründen:
Die Berufung ist, nachdem die Klägerin ihre Klage wegen der zunächst verlangten Mehrwertsteuer zurückgenommen hat, in vollem Umfang begründet. Der Beklagte haftet der Klägerin gemäß §§ 22, 60 InsO auf Schadensersatz, denn er hat die ihrem Aussonderungsrecht unterliegenden Gegenstände, die unstreitig bei Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens noch vorhanden waren, nicht herausgegeben und kann sie auch nicht mehr herausgeben. Eine solche Haftung besteht auch dann, wenn die von den Klägern gelieferten Waren nach der Eröffnung des vorläufigen und vor Eröffnung des endgültigen Insolvenzverfahrens vom Betriebsgelände der Insolvenzschuldner verschwunden sind.2004ze
1. Wie der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 10. 10. 2003 im einzelnen dargelegt hat, hat die Klägerin durch die Übergabe der der Rechnung vom 7. 11. 2000 zugrunde liegenden Waren das Eigentum hieran nicht verloren. Zwischen den Kaufvertragsparteien, die beide Unternehmer i.S.d. § 14 BGB waren, ist durch die in der Auftragsbestätigung vom 5. 10. 2000 erfolgte Bezugnahme auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin ein Eigentumsvorbehalt wirksam vereinbart worden. Aufgrund dessen stand der Klägerin ein Aussonderungsrecht (§ 47 InsO) zu.
2. Beachtung und Schutz der Aussonderungsrechte stellen eine sowohl dem endgültigen also auch dem vorläufigen Insolvenzverwalter gegenüber den jeweiligen Eigentumsvorbehaltsverkäufern obliegende insolvenzspezifische Aufgabe dar, deren Verletzung ihn gemäß §§ 22, 60 InsO zum Schadensersatz verpflichtet. Zwar unterscheiden sich, worauf der Beklagte zu Recht hinweist, Aufgaben und Befugnisse des vorläufigen (§§ 21, 22 InsO) und des endgültigen Insolvenzverwalters (§§ 148 ff. InsO). Die Abgrenzung der Befugnisse im einzelnen ist jedoch im vorliegenden Fall ohne Bedeutung. Ausweislich des Beschlusses des Amtsgerichts Verden vom 7. 11. 2000 (Bl. 94 d.A.) oblag dem Beklagten als vorläufigen Insolvenzverwalter aufgrund der gerichtlichen Bestellung die Sicherung des Vermögens der Insolvenzschuldnerin. Die Anordnung solcher Maßnahmen hat die Sicherung der Masse vor Schuldner- und Gläubigerzugriffen zum Ziel (vgl. MK / Haarmeyer, Insolvenzordnung Bd. 1, § 21 Rn. 1, § 22 Rn. 48). Auch der vorläufige Insolvenzverwalter ohne Verfügungsbefugnis (§ 22 Abs. 2 InsO) hat alle zur Erreichung dieses Zwecks rechtlich und tatsächlich möglichen Handlungen vorzunehmen. Selbst wenn dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot nicht auferlegt worden ist, gehört die Beschäftigung mit den geltend gemachten Aussonderungsrechten zum Pflichtenkreis eines solchen vorläufigen Insolvenzverwalters (vgl. BGH, NJW 2001, 1496; Gundlach / Frenzel / Schmidt, NIZ 2001, 350 ff., MK / Haarmeyer, § 22 Rn. 48). Das hat der Beklagte im übrigen selbst so gesehen. Die Klägerin hatte bereits mit Schreiben vom 8. 11. 2000 auf den vereinbarten Eigentumsvorbehalt hingewiesen, mit Schreiben vom 15. 11. 2000 hatte sie nochmals Sicherungsrechte beim Beklagten angemeldet, ohne daß dieser zu erkennen gegeben hatte, damit sei sein Aufgabenkreis überschritten. Der Beklagte hat zudem mit Schriftsatz vom 20. 8. 2003 selbst vorgetragen, er und auch die Schuldnerin hätten Eigentumsvorbehaltsware auf Wunsch der Lieferanten herausgegeben.
Ob zu der Beschäftigung mit den Aussonderungsrechten notwendigerweise die Inbesitznahme der dem Eigentumsvorbehalt unterliegenden Gegenstände gehört (so wohl MK / Haarmeyer, § 22 Rn. 49) oder ob der Beklagte die Vorbehaltsware stattdessen den Aussonderungsberechtigten zur sofortigen Abholung überlassen konnte, wie es in anderen Fällen geschehen ist, kann hier dahinstehen. Wenn der Insolvenzverwalter, weil er sich zunächst einen Überblick verschaffen und den Bestand sichern will, die Waren den Berechtigten nicht sofort zur Verfügung stellt, muß er, da er sie auch nicht Dritten überlassen darf, organisatorische Maßnahmen treffen, die gerade das verhindern. Nachdem aufgrund der Beweisaufnahme feststeht, daß die von der Klägerin gelieferten Waren nicht mehr von der Insolvenzschuldnerin verarbeitet
  2004     Heft: 6     Seite: 339  
worden sind und auch eine Abholung durch die Klägerin nicht mehr im Streit ist, kommt als Grund für das Nichtmehrvorhandensein nur noch in Betracht, daß es Dritte waren, die die Waren fortgeschafft haben.
Daß der Beklagte diesen Umstand nicht zu vertreten hat, ist angesichts des für seine Tätigkeit geltenden Maßstabs der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens nicht festzustellen. Der Insolvenzverwalter darf sich gemäß § 60 Abs. 2 InsO zwar in gewissem Umfang der Mitarbeit der Beschäftigten der Insolvenzschuldnerin bedienen, wobei er für deren Verschulden dann nicht einzustehen hat (§ 60 Abs. 2 InsO). Für deren Überwachung bleibt er jedoch verantwortlich, ansonsten bedürfte es seiner Bestellung nicht. Überläßt er also die Prüfung der Aussonderungsrechte in den einfach gelagerten Fällen der Insolvenzschuldnerin selbst (in schwierigen Fällen muß er das ohnehin selbst tun), ist wegen der Notwendigkeit der Bestandssicherung zu verlangen, daß die Abholung der Waren genau kontrolliert wird. Insbesondere besteht hierbei die Gefahr, daß ein Lieferant - ob vorsätzlich oder versehentlich - nicht nur die seinem Aussonderungsrecht unterliegenden Waren mitnimmt. Da sich der Insolvenzverwalter nur beschränkt auf die Insolvenzschuldnerin verlassen darf, muß der Beklagte im Prozeß darlegen, welche Maßnahmen im einzelnen er zur Organisation des Aufgabenbereichs der Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin und zu deren Kontrolle getroffen hat.
Was der Beklagte veranlaßt hat, um die ordnungsgemäße Rückgabe der Ware an die jeweiligen Vorbehaltsverkäufer zu gewährleisten, kann der Senat jedoch nicht feststellen. Daß das Betriebsgelände - der Fa. K. - gegen Diebstahl gesichert war, entlastet den Beklagten nicht. Soweit er mit Schriftsatz vom 17. 10. 2003 vorgetragen hat, »durch die mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter abgestimmte und von seinem Beauftragten Herrn P. kontrollierte Anwesenheit dieser beiden Zeugen« (gemeint sind die Zeugen H. und R.) sei eine ordnungsgemäße Verwaltung des Bestandes sichergestellt gewesen, ist diesem Vortrag nicht zu entnehmen, mit welchen Weisungen er diese Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin - für ein Verschulden seines eigenen Mitarbeiters haftet er ohnehin gemäß § 278 BGB - versehen hat. Unklar ist auch, wer von ihnen für die Prüfung der Aussonderungsrechte, der Abzeichnung von Rücklieferungsscheinen und die Kontrolle der abgeholten Waren verantwortlich war. Die Bezugnahme auf die Aussage des Zeugen H. ist schon deswegen unzureichend, weil dieser in seiner Vernehmung erklärt hat, er habe sich um die Bestandsaufnahme nicht gekümmert. Der Beklagte hat darüber hinaus behauptet, zwei weitere Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin hätten die Abwicklung geleitet und überwacht. Zudem sei der Angestellte W. (ebenfalls Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin) von dem Zeugen H. beauftragt gewesen, die Abwicklung vor Ort durchzuführen. Auch daraus wird nicht deutlich, ob er den Mitarbeitern der Insolvenzschuldnerin Anweisungen erteilt und deren Einhaltung überprüft hat, oder ob er statt dessen die Behandlung der Aussonderungsrechte der Insolvenzschuldnerin allein überlassen und lediglich kontrolliert hat, daß überhaupt Mitarbeiter vor Ort anwesend waren. Das Risiko des Abhandenkommens der Holzlieferungen, die die Insolvenzschuldnerin nicht bezahlen, aber auch nicht mehr verarbeiten wollte und konnte, ist nicht damit ausgeräumt, daß der Eigentumsvorbehalt eines Lieferanten geprüft wird. Deshalb ist der geordneten Fortschaffung der in Anspruch genommenen Waren besonderes Augenmerk zu schenken. Wenn schon der Beklagte diesen Aufgabenkreis den Mitarbeitern der Insolvenzschuldnerin überlassen hat, mußte er zumindest durch entsprechende Weisungen dafür Sorge zu tragen, daß die jeweiligen Lieferanten beim Aufladen der Lieferungen durch einen Mitarbeiter streng kontrolliert wurden. Zudem hätte er die Befolgung dieser Weisungen stichprobenartig kontrollieren müssen. Das Risiko der unberechtigten Abholung von Vorbehaltsgut hätte sich damit - ohne daß die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des vorläufigen Insolvenzverwalters überspannt wären - eingrenzen lassen.
Die Haftung wegen seiner Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter aus §§ 22, 60 InsO trifft den Beklagten persönlich. Das von ihm angesprochene Problem der fehlenden »Identität« zwischen vorläufigem und endgültigem Insolvenzverwalter - als Partei kraft Amtes - steht dem nicht entgegen. Bei dem Begriff der »Partei kraft Amtes« geht es lediglich um die Frage, wer Träger von Rechten und Pflichten der Insolvenzschuldnerin im Rechtsverkehr, insbesondere im Prozeß ist, und / oder gegen wen Masseansprüche geltend zu machen sind. Um solche Ansprüche geht es in der Berufung jedoch nicht. Ihren auf § 48 InsO gestützten Anspruch, der gegen den Beklagten als Insolvenzverwalter zu richten wäre, verfolgt die Klägerin nicht mehr. Mit der Haftung und Vertretung der Insolvenzschuldnerin hat die Haftung des Insolvenzverwalters wegen der Verletzung Insolvenzspezifischer Pflichten aus §§ 22, 60 InsO nichts zu tun. Die Bezeichnung des Beklagten im Rubrum als »Insolvenzverwalter« dient lediglich der Individualisierung des Pflichtenkreises, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird. Auf diese persönliche Haftung des Beklagten hat die Klägerin den Klageanspruch auch zumindest hilfsweise gestützt.

Mitgeteilt von Bernd Drumann, Geschäftsführer der Bremer-Inkasso GmbH, Bremen (www.bremer-inkasso.de)

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