Vorgerichtlich
BVerfG, JurBüro 2012, 379
BVerfG, 07.09.2011,
1 BvR 1012/11
Verfassungsbeschwerde
eines privatärztlichen Abrechnungsinstituts gegen die zivilgerichtliche
Versagung von Inkassokosten als Verzugsschaden
Gericht: |
BVerfG |
Datum: |
07.09.2011 |
Aktenzeichen: |
1 BvR 1012/11 |
Entscheidungsform: |
Beschluss |
JURION Fundstelle: |
JurionRS 2011, 34305 |
Fundstellen: |
AnwBl 2012, 278-279 FoVo 2012, 88-91 JurBüro 2012, 379-380 WM 2011, 2155-2157 |
Rechtsgrundlagen: |
§ 254 BGB Art. 2 Abs. 1 GG Art. 3 Abs. 1 GG Art. 20 Abs. 3 GG § 511 Abs. 4
S. 1 ZPO |
Verfahrensgang: |
1. AG Brandenburg - 18.02.2011 - AZ:
30 C 342/10 2. AG Brandenburg - 09.03.2011 - AZ:
30 C 342/10 3. BVerfG - 07.09.2011 - AZ:
1 BvR 1012/11 |
Redaktioneller
Leitsatz:
1.
Trifft ein Gericht
seine Entscheidung entgegen der vielfachen höchst- und obergerichtlicher
Rechtsprechung und herrschender Meinung in der Literatur zu einem Streitpunkt,
muss es, will es nicht gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen,
zwingend die Berufung nach § 511 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 Alt. 3 ZPO zwingend
zulassen.
2.
Die Kosten eines
Inkassobüros können, unbeschadet bestimmter Einschränkungen, grundsätzlich als
Verzugsschaden geltend gemacht werden.
In
dem Verfahren
über
die
Verfassungsbeschwerde
der
F... GmbH,
gesetzlich
vertreten durch den Geschäftsführer S...
-
Bevollmächtigter:
Rechtsanwalt
Heiko Kraatz,
Breite
Straße 24, 13187 Berlin -
gegen
a)
den
Beschluss des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 9. März 2011 -
30 C 342/10 -,
b)
das
Urteil des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 18. Februar 2011 -
30 C 342/10 -
hat
die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den
Vizepräsidenten Kirchhof
und
die Richter Eichberger,
Masing
am
7. September 2011 einstimmig beschlossen:
Tenor:
1. Das
Urteil des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 18. Februar 2011 -
30 C 342/10 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus
Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3
des Grundgesetzes . Das Urteil wird aufgehoben. Die Sache wird an das
Amtsgericht Brandenburg an der Havel zurückverwiesen. Damit wird der Beschluss
des Amtsgerichts vom 9. März 2011 - 30 C 342/10 -
gegenstandslos.
2. Das
Land Brandenburg hat der Beschwerdeführerin die ihr im
Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu
erstatten.
3. Der
Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren
wird auf 4.000 (in Worten: viertausend Euro) festgesetzt.
Gründe
I.
1 Die Verfassungsbeschwerde betrifft die
zivilgerichtliche Versagung von Inkassokosten als Verzugsschaden.
2 1. Die Beschwerdeführerin, Klägerin im
Ausgangsverfahren, ist ein privatärztliches Abrechnungsinstitut, welches
ärztliche Honorarforderungen gegen Patienten gewerbsmäßig ankauft, sich
abtreten lässt und anschließend eigenständig geltend macht. Vorliegend ließ
sich die Beschwerdeführerin mehrere ärztliche Honorarforderungen gegen den
Beklagten im Ausgangsverfahren abtreten. Trotz Inrechnungstellung und
anschließender Mahnung mit jeweils angemessener Fristsetzung bezahlte der
Beklagte die geforderten Honorare ohne Angabe von Gründen nicht. Die
Beschwerdeführerin beauftragte daher ein Inkassounternehmen mit der
Geltendmachung der Forderungen. Auch deren Bemühungen, die Forderungen
beizutreiben, blieben aber erfolglos.
3 2. Die Beschwerdeführerin erhob daher
Klage zum Amtsgericht mit dem Antrag, den Beklagten zur Zahlung der
Hauptforderungen sowie - nebst weiteren Verzugsschäden - zur Zahlung der
Inkassokosten in Höhe der Mindestkosten einer entsprechenden vorgerichtlichen
Tätigkeit eines Rechtsanwalts (vorliegend: 39 Euro) zu verurteilen. Begründet
wurde die Geltendmachung der Inkassokosten insbesondere auch unter Bezugnahme
auf mehrere obergerichtliche Entscheidungen wie unter anderem BGH, Urteil vom
24. Mai 1967 - VIII ZR 278/64 -, [...] und OLG Dresden, Urteil vom 4. April
1995 - 13 U 1515/93 -, NJW-RR 1996, S. 1471. Insbesondere trug die
Beschwerdeführerin vor, dass die genannten Entscheidungen die grundsätzliche
Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten ausdrücklich anerkannt hätten, sich die
Beschwerdeführerin regelmäßig des beauftragten Inkassounternehmens zur
Forderungseinziehung bediene, was auch regelmäßig ohne Inanspruchnahme
anwaltlicher Hilfe zum Erfolg führe, und dass auch im konkreten Fall zum
Zeitpunkt der Beauftragung keine Anhaltspunkte vorgelegen hätten, dass die
Forderungen nur im Falle einer gerichtlichen Titulierung gezahlt werden würden.
4 3. Das Amtsgericht wies die
Beschwerdeführerin im Verfahren nach § 495a ZPO darauf hin, dass es
Bedenken bezüglich der Erstattungsfähigkeit der Inkassokosten habe. Hierzu nahm
die Beschwerdeführerin erneut ausführlich Stellung. Neben den bereits in der
Antragsschrift gemachten Ausführungen trug sie insbesondere noch vor, dass die
vom Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 24. Mai 1967 genannte
Einschränkung der Erstattungsfähigkeit im Falle der Vorhersehbarkeit der
Erfolglosigkeit vorliegend nicht gegeben sei, da der Beklagte im Vorfeld gegen
die Hauptforderungen keine Einwendungen erhoben habe. Ferner wies sie das
Gericht darauf hin, dass im Falle des Abweichens von den genannten
obergerichtlichen Entscheidungen die Berufung zwingend zuzulassen sei.
5 4. Im angegriffenen Urteil gab das
Amtsgericht der Beschwerdeführerin in der Hauptsache sowie der sonstig geltend
gemachten Verzugsschäden recht, wies die Klage jedoch betreffend der geltend
gemachten Inkassokosten ab. Hierzu führte es aus, dass die Einschaltung eines
Inkassobüros regelmäßig gegen die Schadensminderungspflicht nach
§ 254 BGB verstoße, da die Kosten, die hierdurch verursacht würden,
vermeidbar seien. Anders als die Beauftragung eines Rechtsanwalts als Organ der
Rechtspflege bedeute die Einschaltung eines Inkassounternehmens keine
wirtschaftlich sinnvolle und rechtlich geschützte Wahrnehmung von
Gläubigerrechten. Vielmehr würden lediglich eigene Mahnbemühungen
kostenintensiv auf einen Dritten ausgelagert. Dass Mahnungen eines
Inkassounternehmens zwar in mehr als der Hälfte der Fälle zum Erfolg führen,
sei mangels besonderer Rechtskenntnisse und mangels eines nachhaltigen
Druckmittels der Inkassounternehmen entweder darauf zurückzuführen, dass der
Schuldner ohnehin auf nachträgliche mehrfache Mahnungen geleistet hätte oder
dass der Schuldner aus irrationalen Gründen Mahnungen eines Inkassounternehmens
eine größere Bedeutung als Mahnungen des Gläubigers selbst beimesse. Dies
rechtfertige die Auferlegung der Inkassokosten nicht.
6 Die Berufung ließ das Amtsgericht
entgegen dem Antrag der Beschwerdeführerin unter Hinweis darauf, dass der Frage
der Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung
zukomme, und im Übrigen ohne nähere Begründung nicht zu.
7 5. In ihrer Gehörsrüge wandte sich die
Beschwerdeführerin unter Hinweis auf den Beschluss der 2. Kammer des Ersten
Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26. April 2010 - 1 BvR
1991/09 - gegen die Nichtzulassung der Berufung. Die Zulassung der Berufung
wäre zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten gewesen. Dass
Inkassokosten als Verzugsschaden geltend gemacht werden können, habe die
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der genannten Obergerichte bereits
anerkannt. Das Amtsgericht sei hiervon abgewichen. Da diese Frage eine Vielzahl
von Fällen betreffe, sei sie rechtserheblich.
8 Mit ebenfalls angegriffenem Beschluss
wies das Amtsgericht die Gehörsrüge zurück. Die Beschwerdeführerin habe
Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt. Das Gericht habe lediglich anders als von
der Klägerin gewünscht entschieden. Der Anspruch auf rechtliches Gehör sei
hierdurch nicht verletzt.
9 6. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt
die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 sowie von Art. 3 Abs. 1 und
Art. 103 Abs. 1 GG .
10 Das Amtsgericht hätte die Berufung gemäß
§ 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Alt. 3 ZPO zulassen müssen.
Das Erfordernis der Einheitlichkeit der Rechtsprechung habe eine Entscheidung
des Berufungsgerichts erfordert, da von einer Entscheidung des
Bundesgerichtshofs abgewichen worden sei, die als Rechtsfrage in einer Vielzahl
von Fällen auftreten könne und damit von allgemeiner Bedeutung sei. Das
Abweichen des Amtsgerichts von der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei auch
nicht begründet worden. Mit der wiederholt angeführten Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs habe es sich nicht auseinandergesetzt. Indem es die Berufung
nicht zugelassen habe, habe das Amtsgericht mithin gegen das Willkürverbot
verstoßen. Für die Gewährung rechtlichen Gehörs sei es ferner nicht
ausreichend, den Parteien Gelegenheit zum Vortrag zu geben. Der Vortrag der
Parteien müsse vom Gericht auch hinreichend gewürdigt werden und in die
Entscheidung einfließen.
11 7. Zu der Verfassungsbeschwerde wurde dem
Ministerium der Justiz des Landes Brandenburg Gelegenheit zur Stellungnahme
gegeben. Dieses sah von einer Stellungnahme ab. Auch der Beklagte im
Ausgangsverfahren hatte Gelegenheit zur Äußerung.
II.
12 Die Kammer nimmt die
Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, da dies zur
Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführerin aus Art. 2 Abs. 1
in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG angezeigt ist ( § 93a
Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG ). Auch die weiteren Voraussetzungen des
§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG liegen vor. Das
Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen Fragen bereits entschieden
(vgl. nur BVerfGE 74, 228 [BVerfG 11.02.1987 - 1 BvR 475/85] <234>;
96, 189 <203>; BVerfGK 11, 235 <237 ff.>; 12, 298
<300 ff.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom
26. April 2010 - 1 BvR 1991/09 -, GRUR 2010, S. 1033). Die
Verfassungsbeschwerde ist danach offensichtlich begründet.
13 1. Das angegriffene Urteil verstößt gegen
die Rechtsschutzgarantie aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 20 Abs. 3 sowie gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner
Ausprägung als Verbot objektiver Willkür.
14 a) Maßstab für die verfassungsrechtliche
Prüfung ist vorrangig das Rechtsstaatsprinzip, aus dem für bürgerlich
rechtliche Streitigkeiten die Gewährleistung eines wirkungsvollen
Rechtsschutzes abzuleiten ist (vgl. BVerfGE 54, 277 [BVerfG 11.06.1980 -
1 PBvU 1/79] <291>; 80, 103 <107>; 85, 337 <345>,
stRspr). Das Gebot effektiven Rechtsschutzes beeinflusst die Auslegung und
Anwendung der Bestimmungen, die für die Eröffnung eines Rechtswegs und die
Beschreitung eines Instanzenzugs von Bedeutung sind. Hat der Gesetzgeber sich
für die Eröffnung einer weiteren Instanz entschieden und sieht die betreffende
Prozessordnung dementsprechend ein Rechtsmittel vor, so darf der Zugang dazu
nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise
erschwert werden (vgl. BVerfGE 69, 381 [BVerfG 14.05.1985 - 1 BvR 370/84]
<385>; 74, 228 <234>; 77, 275 <284>). Mit dem Gebot
effektiven Rechtsschutzes unvereinbar sind eine den Zugang zur Berufung
erschwerende Auslegung und Anwendung des hier einschlägigen § 511
Abs. 4 Satz 1 ZPO dann, wenn sie sachlich nicht zu rechtfertigen
sind, sich damit als objektiv willkürlich erweisen und dadurch den Zugang zur
nächsten Instanz unzumutbar einschränken (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer
des Ersten Senats vom 4. November 2008 - 1 BvR 2587/06 -, NJW 2009,
S. 572 <573>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom
26. April 2010 - 1 BvR 1991/09 -, GRUR 2010, S. 1033 [BVerfG
26.04.2010 - 1 BvR 1991/09] ). Von objektiver Willkür ist dabei
insbesondere dann auszugehen, wenn das Gericht ohne Auseinandersetzung mit der
Sach- und Rechtslage eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt
oder deren Inhalt bei Auslegung und Anwendung in krasser Weise missdeutet (vgl.
BVerfGE 87, 273 [BVerfG 03.11.1992 - 1 BvR 1243/88] <278 f.>;
89, 1 <13 f.>).
15 b) Dies ist hier bei der (unterlassenen)
Anwendung des § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Alt. 3 ZPO der
Fall. Nach dieser Vorschrift lässt das Gericht des ersten Rechtszugs - bei
Streitwerten bis 600 - die Berufung zu, wenn die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert.
Damit soll ausweislich der Gesetzesmaterialien vermieden werden, dass schwer
erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen,
wobei es darauf ankommt, welche Bedeutung die angefochtene Entscheidung für die
Rechtsprechung im Ganzen hat (vgl. BTDrucks 14/4722, S. 93, 104).
16 Diese Rechtslage hat das Amtsgericht
verkannt. Die Kosten eines Inkassobüros können - wenngleich im Einzelnen
manches umstritten ist (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 2005 - VIII ZR 299/04
-, NJW 2005, S. 2991 <2994> m.w.N.) - nach vielfacher höchst- und
obergerichtlicher Rechtsprechung und herrschender Meinung in der Literatur,
unbeschadet bestimmter Einschränkungen, grundsätzlich als Verzugsschaden
geltend gemacht werden (vgl. etwa BGH, Urteil vom 24. Mai 1967 - VIII ZR
278/64 -, [...]; OLG München, Urteil vom 29. November 1974 - 19 U
3081/74 -, NJW 1975, S. 832 [OLG München 29.11.1974 - 19 U 3081/74] ;
OLG Karlsruhe, Urteil vom 11. Juni 1986 - 6 U 234/85 -, NJW-RR 1987,
S. 15; OLG Frankfurt, Urteil vom 14. November 1989 - 11 U 14/89
-, NJW-RR 1990, S. 729; OLG Dresden, Urteil vom 4. April 1995 -
13 U 1515/93 -, NJW-RR 1996, S.1471; OLG Oldenburg, Urteil vom
24. April 2006 - 11 U 8/06 -, JurBüro 2006, S. 481 [OLG
Oldenburg 24.04.2006 - 11 U 8/06] ; Unberath, in: Bamberger/Roth, BeckOK
zum BGB , Stand: 1. Februar 2009, § 286 Rn. 74; Ernst, in:
Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2007, § 286 Rn. 157 m.w.N.).
Nach herrschender Meinung anerkannte Einschränkungen sind etwa, dass die Höhe
der geltend gemachten Kosten die alternativ bei Beauftragung eines
Rechtsanwalts entstehenden Kosten nicht übersteigen dürfen und dass der
Schuldner zum Zeitpunkt der Beauftragung nicht bereits von vornherein erkennbar
zahlungsunwillig gewesen ist (vgl. Unberath, a.a.O., m.w.N.; Ernst, a.a.O.,
m.w.N.). Ersteres hat die Beschwerdeführerin in ihrem Klageantrag beachtet, zu
letzterem hat sie in ihrem Sachvortrag schlüssig Stellung genommen. Trotz
Hinweis auf entsprechende höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung seitens
der Beschwerdeführerin hat das Amtsgericht, ohne sich in seinem Urteil
erkennbar mit dieser auseinanderzusetzen, hiervon wesentlich abweichend
entschieden, indem es die Bemühungen der Inkassounternehmen grundsätzlich als
nicht zweckgerecht und damit regelmäßig als gegen die Schadensminderungspflicht
verstoßend angesehen hat.
17 Diese - vorliegend auch
entscheidungserhebliche - Rechtsfrage betrifft eine Vielzahl von
Rechtsstreitigkeiten. Die Beauftragung von Inkassounternehmen zur
Forderungseinziehung ist gängige Praxis und führt in Einzelfällen, wie bereits
die oben zitierten Fundstellen zeigen, immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten. Da
das Amtsgericht mit seinen Entscheidungsgründen zu erkennen gegeben hat,
grundsätzlich anders entscheiden zu wollen, besteht insofern auch eine
Wiederholungsgefahr.
18 Es stand dem Amtsgericht zwar frei, so zu
entscheiden, es hätte dann aber die Berufung zwingend zulassen müssen (vgl.
BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 26. April 2010 -
1 BvR 1991/09 -, GRUR 2010, S. 1034 [BGH 24.06.2010 - I ZB 40/09] ).
19 Dies hat das Gericht, ohne sich in seiner
Begründung näher mit den Zulassungsvoraussetzungen des § 511 Abs. 4
Satz 1 Nr. 1 Alt. 3 ZPO auseinanderzusetzen, nicht erkannt oder
nicht erkennen wollen und damit insofern nach dargelegten Maßstäben willkürlich
entschieden.
20 Besonders schwer wiegt insofern, dass das
Amtsgericht seinen Fehler auch auf die Anhörungsrüge hin und unter in
Kenntnissetzung einer Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts in einem
gleichgelagerten Fall (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom
26. April 2010 - 1 BvR 1991/09 -, GRUR 2010, S. 1034) trotz
entsprechender Möglichkeit hierzu nicht korrigiert hat und insofern
leichtfertig mit dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz umgegangen ist.
21 2. Nachdem das angegriffene Urteil jedenfalls
die Rechtsschutzgarantie verletzt, bedarf die von der Beschwerdeführerin weiter
erhobene Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs keiner Entscheidung.
22 3. Das Urteil des Amtsgerichts ist
hiernach gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG
aufzuheben. Die Sache ist an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Der ebenfalls
angegriffene Beschluss wird damit gegenstandslos.
23 4. Die Entscheidung über die
Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG . Die
Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2
in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 [BVerfG
28.02.1989 - 1 BvR 1291/85] <366 ff.>).
Kirchhof
Eichberger
Masing
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