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LG Potsdam, JurBüro 2019, 102

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LG Potsdam, Beschl. v. 06.09.2018 – 14 T 90/18

Voraussetzungen für die zwangsweise Öffnung der Wohnung des Schuldners

Fundstelle: JurBüro 2019, 102
Thema: ZPO §§ 802c, 758a

Eine Durchsuchung der Wohnung des Schuldners ist erst dann zulässig, wenn alle weniger einschneidenden Maßnahmen ausgeschöpft sind oder erkennbar keinen Erfolg versprechen. Wird der Schuldner wiederholt nicht angetroffen, soll einer der Versuche außerhalb der normalen Arbeitszeit liegen. (L.d.R.)

LG Potsdam, Beschl. v. 06.09.2018 – 14 T 90/18

Aus den Gründen:

I. Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner aufgrund des Vollstreckungsbescheides des Amtsgerichts Hagen vom 18.05.2017 zum Az. … Das Vollstreckungsersuchen mit dem Pfändungsauftrag der Gläubigerin ging am 13.11.2017 bei der Gerichtsvollzieherin ein. Diese forderte den Schuldner am 08.12.2017 zur Zahlung bis zum 22.12.2017 bzw. zur Kontaktaufnahme auf. Nach erneuter Aufforderung durch die Gläubigerin suchte sie am 15.01.2018 um 17:50 Uhr die Wohnanschrift des Schuldners auf, traf aber niemanden an. Sie stellte die Zwangsvollstreckung mit der Begründung ein, das Verhalten des Schuldners lasse erkennen, dass erneute Pfändungsversuche ohne Zwang nicht erfolgsversprechend seien. Er sei trotz vorheriger terminlicher Ankündigung nicht anwesend gewesen. Das stehe seiner Weigerung gleich. Ein Beschluss nach § 758a ZPO sei erforderlich.

Die Gläubigerin bat unter Vorlage eines Durchsuchungsbeschlusses betreffend die Wohnung des Schuldners um einen erneuten Vollstreckungsversuch, allerdings unter Absehen von einer zwangsweisen Wohnungsöffnung. Die Gerichtsvollzieherin sandte die Unterlagen mit der Begründung zurück, der Durchsuchungsbeschluss könne ohne eine zwangsweise Wohnungsöffnung nicht durchgeführt werden. Der Schuldner werde die Wohnungstür nicht freiwillig öffnen. Die Gläubigerin bat um Erläuterung dieser Annahme etwa durch Vorlage der Vollstreckungsprotokolle. Die Gerichtsvollzieherin sandte die Unterlagen erneut zurück unter Wiederholung ihres Vorbringens. Die Gläubigerin erhob am 08.06.2018 Erinnerung unter Berufung darauf, dass der Schuldner arbeite und daher nachvollziehbarerweise tagsüber nicht zu Hause sei. Die Gerichtsvollzieherin half der Erinnerung nicht ab und legte die Sache dem Amtsgericht Brandenburg an der Havel als Vollstreckungsgericht am 05.07.2018 vor, das die Erinnerung mit dem angegriffenen Beschluss vom 09.07.2018 unter Bezugnahme »auf die zutreffende Begründung des Nichtabhilfebeschlusses« zurückwies.

Die Gläubigerin hat am 25.07.12018 sofortige Beschwerde gegen den ihr am 12.07.2018 zugestellten Beschluss erhoben, und zur Begründung ausgeführt: Sie verfüge nunmehr über den von der Gerichtsvollzieherin angeregten Durchsuchungsbeschluss. Einen Vollstreckungsversuch habe diese aber seitdem nie unternommen. Die Gründe hierfür seien nicht überzeugend. Es stehe nicht fest, dass ein weiterer Versuch in den frühen Morgen- oder späten Abendstunden nicht erfolgsversprechend sei. Eine zwangsweise Türöffnung sei daher noch nicht erforderlich. Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 26.07.2018 nicht abgeholfen.

II. Die sofortige Beschwerde, über die nach § 568 Satz 1 ZPO der Einzelrichter entscheidet, ist statthaft gem. §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 793 ZPO und auch sonst zulässig, insbesondere rechtzeitig erhoben gem. § 569 Abs. 1 ZPO.

Sie ist auch begründet. Das Amtsgericht durfte die Erinnerung der Gläubigerin gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung nach § 766 ZPO nicht zurückweisen. Die Erinnerung war zulässig und begründet.

Die Erinnerung war zulässig. Die Gläubigerin kann nach § 766 Abs. 2 ZPO die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts verlangen, wenn eine Gerichtsvollzieherin sich weigert, einen Vollstreckungsauftrag zu übernehmen oder eine Vollstreckungshandlung dem Auftrag gemäß auszuführen. So liegt der Fall hier.

Die Erinnerung ist auch begründet. Die Weigerung der Gerichtsvollzieherin, den ihr erteilten Vollstreckungsauftrag auszuführen, ist nicht nachzuvollziehen. Es entspricht dem auch im Zwangsvollstreckungsverfahren zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsprinzip, das mit Blick auf den grundgesetzlich besonders geschützten Raum der Wohnung spezielles Gewicht erhält, dass eine Durchsuchung der Wohnung erst dann zulässig ist und erfolgen soll, wenn alle weniger einschneidenden Maßnahmen ausgeschöpft sind oder erkennbar keinen Erfolg versprechen werden. Daher fehlt schon das Rechtsschutzbedürfnis für eine richterliche Anordnung nach § 758a ZPO, wenn dem Gerichtsvollzieher der Zutritt zur Wohnung oder deren Durchsuchung noch nicht verweigert worden oder der Schuldner sogar einverstanden ist. Anders ist es jedenfalls, wenn der Schuldner vom Gerichtsvollzieher wiederholt nicht angetroffen wurde, wobei einer der Versuche außerhalb der normalen Arbeitszeit liegen soll. Zwar wird teilweise ein erfolgloser Versuch für ausreichend erachtet, wenn der Gerichtsvollzieher danach den Schuldner auffordert, sich mit ihm in Verbindung zu setzen (vgl. Lackmann, in: Musielak/Voit, ZPO, § 758a ZPO Rn. 12; Heßler, in: MüKo-ZPO, § 758a ZPO Rn. 50). Richtigerweise ist aber zu fordern, dass der Gerichtsvollzieher bei versuchter Vollstreckung in der Wohnung des Schuldners niemanden angetroffen hat, soweit nicht die Wohnung zu Zeiten aufgesucht wurde, zu denen sich Berufstätige im Allgemeinen nicht zu Hause befinden. Zudem ist ein weiterer Vollstreckungsversuch nach Vorankündigung in angemessenem zeitlichem Abstand oder zu einer Zeit gefordert, in der mit der Anwesenheit des Schuldners gerechnet werden kann (vgl. LG Mönchengladbach, Beschl. v. 20.11.2007 – 5 T 317/07, BeckRS 2008, 01083 = MDR 2008, 292).

Schon dies ist vorliegend nicht zu erkennen. Die Gerichtsvollzieherin hat ihren ersten Vollstreckungsversuch in der Wohnung des Schuldners nicht erkennbar angekündigt. Ihr Schreiben vom 08.12.2017 bezieht sich allein auf eine Zählung bis zum 22.12.2017 und kündigt sodann nur allgemein die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung an. Wie aus der Abwesenheit des – nach Angaben der Gläubigerin – in Berlin arbeitenden Schuldners an einem Wochentag um 17:50 Uhr geschlossen werden kann, dass dieser sich der Mitwirkung auch künftig verweigern werde, ist nicht nachzuvollziehen. Die Versäumung der Zahlungsaufforderung kann jedenfalls nicht genügen.Noch weniger ist aber verständlich, dass die Gerichtsvollzieherin sich weigerte, den gleichwohl erlassenen Durchsuchungsbeschluss umzusetzen, solange sie nicht auch mit der zwangsweisen Öffnung der Räume beauftragt wird. Denn dem Schuldner ist bislang nicht einmal angedroht, dass bei seiner erneuten Abwesenheit an einem von der Gerichtsvollzieherin anberaumten Durchsuchungstermin – der wie erwähnt in angemessenem zeitlichem Vorlauf und einer Zeit anberaumt werden sollte, in der mit der Anwesenheit des Schuldners gerechnet werden kann – die Wohnung auch zwangsweise geöffnet werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Mitgeteilt von Sven Drumann, Prokurist der Bremer Inkasso GmbH, Bremen

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