AG Köln, JurBüro 2021, 389
AG Köln, Beschl. v. 17.02.2021 – 287 M 1561/20
Aufenthaltsermittlung durch den Gerichtsvollzieher / Beendigung des Verfahrens bei Nichtermittlung der neuen Anschrift des Schuldners / Zuständigkeit nach Ermittlung der neuen Anschrift
Fundstelle: JurBüro 2021, 389
Thema: ZPO § 753 Abs. 1, 3, § 755; GVFV § 1
Nach (negativer) Durchführung der Aufenthaltsermittlung gemäß Modul L endet der dem Gerichtsvollzieher erteilte Vollstreckungsauftrag nicht schon durch die Rückgabe der Vollstreckungsunterlagen an den Gläubiger. (L.d.R.)
Aus den Gründen:
I. Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Bremen vom 07.02.2020 wegen einer Hauptforderung i.H.v. 3.937,61 €. Unter dem 09.03.2020 beauftragte die Gläubigerin Herrn Obergerichtsvollzieher P. aus Köln mit der Abnahme der Vermögensauskunft und dem Vollzug eines etwaigen Haftbefehls wegen Ausbleibens zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft. Zugleich beantragte die Gläubigerin durch Ankreuzen des Moduls »L3« für den Fall des unbekannten Aufenthalts der Schuldnerin die Ermittlung ihrer gegenwärtigen Anschriften sowie der Angaben zur Haupt- und Nebenwohnung durch Nachfrage bei der Meldebehörde. Im Modul »P8« bat die Gläubigerin um Befragung der Gläubigervertreter und Ruhenlassen des Verfahrens bis zur Mitteilung einer neuen Anschrift, wenn die Ermittlungen des Obergerichtsvollziehers ohne positives Ergebnis bleiben. Das Amtsgericht Köln erließ am 27.05.2020 einen Haftbefehl gegen die Schuldnerin unter der bisher bekannten Adresse, um die Abgabe der Vermögensauskunft zu erzwingen. Ein an die Schuldnerin adressiertes Schreiben des Obergerichtsvollziehers vom 10.07.2020 kann mit dem Vermerk »Empfänger/Firma unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln.« zurück. Der Obergerichtsvollzieher stellte am 13.07.2020 fest, dass die Schuldnerin unter der bisher bekannten Adresse nicht anzutreffen war. Eine Anfrage beim Einwohnermeldeamt vom 23.07.2020 ergab, dass sie weiterhin an der bisherigen Adresse …-Str. 38 in Köln gemeldet war. Daraufhin schickte der Obergerichtsvollzieher der Gläubigerin die Vollstreckungsunterlagen zurück und wies darauf hin, dass die Schuldnerin mit unbekanntem Aufenthalt verzogen sei und der Auftrag zur Anschriftenermittlung durchgeführt worden sei, ohne dass eine neue Anschrift habe ermittelt werden können.
Mit Schriftsatz vom 21.10.2020 hat die durch ein Inkassounternehmen vertretene Gläubigerin nach Ermittlung der neuen Anschrift der Schuldnerin in Overath die Fortsetzung des Auftrags vom 09.03.2020, gegebenenfalls unter Weiterleitung an den örtlich zuständigen Gerichtsvollzieher, verlangt und die Vollstreckungsunterlagen erneut beim Obergerichtsvollzieher eingereicht. Zudem hat sie erklärt, der Obergerichtsvollzieher könne die Sonderakte gerne dem Richter zur Entscheidung vorlegen, sofern er sich ihrer Auffassung nicht anschließe.
Der Obergerichtsvollzieher hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Er ist der Ansicht, dass das Verfahren seinerseits durch Einstellung nach Verzug erledigt worden sei. Die erneute Beauftragung durch die Gläubigerin stelle einen neuen Auftrag dar, der beim nunmehr zuständigen Amtsgericht zu stellen sei.
Die Schuldnerin ist angehört worden. Eine Reaktion ist nicht erfolgt.
II. Die Erinnerung ist zulässig und begründet.
1. Die Erinnerung ist statthaft nach § 766 Abs. 2 ZPO; da die Gläubigerin sich gegen die Ablehnung der Fortführung des Vollstreckungsauftrags durch den Obergerichtsvollzieher wendet.
Sie ist auch ordnungsgemäß eingelegt, § 569 Abs. 2 ZPO. Die Gläubigerin hat mit unterschriebenem Schriftsatz vom 08.12.2020 darum gebeten, das Schreiben vom 21.10.2020 als Erinnerung auszulegen. Mögliche zunächst bestehende Formmängel sind jedenfalls geheilt.
Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die Gläubigervertreter nicht nach § 79 Abs. 2 Satz 2 ZPO vertretungsbefugt sind, sondern als Inkassounternehmen von der Vertretung des Gläubigers in streitigen Verfahren ausgeschlossen sind. Ist der Mangel der Vertretungsbefugnis unerkannt geblieben und keine Zurückweisung gem. § 79 Abs. 3 Satz 1 ZPO erfolgt, sind die Prozesshandlungen des Vertreters nach Abs. 3 Satz 2 wirksam (BGH, NJW-RR 2010, 1361 [BGH 15.04.2010 – V ZB 122/09]); der Mangel der Vertretungsbefugnis ist mit Beendigung der Instanz geheilt (Althammer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 79 ZPO, Rn. 11).
Das Gericht ist örtlich zuständig. Dies ist der Fall, wenn der Schuldner bei Beginn der Zwangsvollstreckung seinen allgemeinen Gerichtsstand im Gerichtsbezirk hatte. Der Vollstreckungsauftrag der Gläubigerin ist am 12.03.2020 bei der Verteilungsstelle für Gerichtsvollzieheraufträge eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt war die Schuldnerin an der Adresse …-Str. 38 in Köln gemeldet.
2. Der Obergerichtsvollzieher hätte die weitere Ausführung der unter dem 09.03.2020 beantragten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nicht mit der Begründung ablehnen dürfen, dass das Verfahren bei ihm bereits beendet und er nunmehr nicht mehr örtlich zuständig sei.
Der einem Gerichtsvollzieher erteilte Vollstreckungsauftrag endet nicht bereits durch die Rückgabe der Vollstreckungsunterlagen an den Gläubiger, wenn die Aufenthaltsermittlung jedenfalls vorübergehend nicht zum erwünschten Erfolg geführt hat. Denn die Aufenthaltsermittlung gemäß Modul L der Anlage zur Gerichtsvollzieherformular-Verordnung stellt keine selbständige Maßnahme der Zwangsvollstreckung, sondern lediglich eine den Gerichtsvollzieher bei den ihm zugewiesenen Vollstreckungsmaßnahmen unterstützende Hilfsbefugnis dar. Andernfalls würde dem Gläubiger die Möglichkeit genommen, die vom Gerichtsvollzieher jedenfalls zunächst nicht ermittelte aktuelle Anschrift des Schuldners selbst in Erfahrung zu bringen bzw. den Vollstreckungsauftrag – wie hier geschehen (Modul PB) – durch entsprechende Weisungen zum Ruhen zu bringen und das Verfahren auf Antrag fortzusetzen (vgl. BGH, Beschl. v. 04.07.2019 – I ZB 71/18).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Mitgeteilt von Bernd Drumann, Geschäftsführer der Bremer Inkasso GmbH