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AG Bremen, JurBüro 2015, 211

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AG Bremen, Beschluss v. 2.10.2014 – 246 M 460770/14

JurBüro 2015, 211

Thema: ZPO §§ 802 c, 850 h

(Zwangsvollstreckung / Vermögensauskunft / Nachbesserung / Verdacht auf verschleiertes Arbeitseinkommen)

Gibt der Schuldner im Vermögensverzeichnis ein monatliches Einkommen an, aus dem sich der Lebensunterhalt üblicherweise nicht bestreiten lässt oder der Stundenlohn ungewöhnlich niedrig ausfällt (hier: 680 € brutto / netto), so ist er zur Nachbesserung verpflichtet und hat ergänzende Fragen des Gläubigers z.B. zur täglichen, wöchentlichen und monatlichen Arbeitszeit zu beantworten. (L.d.R.)

AG Bremen, Beschluss v. 2.10.2014 – 246 M 460770/14

Aus den Gründen:

I. Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin aus einem Vollstreckungsbescheid. Die Schuldnerin hat in dem Vermögensverzeichnis vom 1. 7. 2013 unter anderem angegeben, sie sei geschieden und gegenüber zwei Kindern (geboren am 16. 12. 1986 und 23. 11. 2003) unterhaltsverpflichtet, wobei das jüngere der beiden seit August 2013 bei der Mutter leben werde. Sie arbeite bei der Z. GmbH. Das monatliche Arbeitseinkommen betrage € 680,– brutto / netto. An Kindergeld erhalte sie monatlich € 184,–. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Vermögensverzeichnis vom 1. 7. 2013 Bezug genommen. Die Gläubigerin hat dazu die Nachbesserung des Vermögensverzeichnis beantragt und die Beantwortung der folgenden Fragen verlangt:

1. Wie erklärt der Schuldner selbst sein geringes Arbeitseinkommen, da er woanders nach Arbeitsmarktgesichtspunkten doch ganz erheblich mehr verdient würde?

2. Aus welchen Gründen unterlässt der Schuldner die Inanspruchnahme von Sozialleistungen (Arbeitslosengeld, -hilfe, Sozialhilfe) auf die er bei keinem oder nur geringem Einkommen nach § 38 SGB I einen einklagbaren Rechtsanspruch hat?

3. Welche Tätigkeiten verrichtet der Schuldner nach Art und Umfang?

4. Welche Ausbildung und welche Berufserfahrungen sind zur Verrichtung dieser Tätigkeiten erforderlich?

5. Wie viele Stunden arbeitet der Schuldner täglich, wöchentlich und monatlich?

6. Wie lauten die regelmäßigen Arbeitszeiten des Schuldners?

7. Werden Lohnanteile an Dritte ausbezahlt oder erhält der Schuldner einen weiteren Lohnanteil in bar, ohne dass dies aus den Lohnunterlagen ersichtlich wird? Bitte genauer Angabe auch zum Umfang dieser Leistungen an Dritte.

8. Erhält der Schuldner zusätzlich Sachleistungen (z.B. freie Kost und Logis, unentgeltliche Nutzung eines Kraftfahrzeuges, Arbeitsbekleidung und anderes) von seinem Arbeitgeber, wenn ja, welche und in welchem Umfang?

9. Wie lauten Fahrzeugtyp, Baujahr, Kilometerstand und Kennzeichen eines eventuell vom Schuldner genutzten Kraftfahrzeugs des Arbeitgebers?

10. Ist der Schuldner mit dem angegebenen Arbeitgeber verwandt oder verschwägert oder steht er sonst wie in einem persönlichen Verhältnis zu diesem?

Die Ausführung dieses Auftrages hat die Gerichtsvollzieherin mit der Begründung abgelehnt, ein Anspruch auf Nachbesserung bestehen nur bei Unvollständigkeit oder unklarer Erklärung der Schuldnerin. Ein solcher Fall liege hier nicht vor. Die Schuldnerin lebe lediglich von einem geringen Einkommen, nämlich insgesamt € 864,–.

II. Die Erinnerung ist zulässig, jedoch nur teilweise begründet.

Die Gläubigerin kann von der Schuldnerin die Nachbesserung des am 1. 7. 2013 abgegebenen Vermögensverzeichnisses im tenorierten Umfang verlangen.

Hat der Schuldner ein äußerlich erkennbar unvollständiges, ungenaues oder widersprüchliches Verzeichnis vorgelegt, so ist er zur Nachbesserung (Ergänzung) verpflichtet (vgl. BGH, 4. 10. 2007 – I ZB 11 / 07, Rn. 8 m.w.N.). Ob ein Vermögensverzeichnis unvollständig oder ungenau ist, bestimmt sich maßgeblich nach dem Zweck des § 807 ZPO a.F. / der §§ 802c ff. ZPO n.F. Die dortigen Regelungen dienen dazu, dem Gläubiger eine Grundlage für eine etwaige Vollstreckung zu geben; ihm soll die Kenntnis von denjenigen Vermögensstücken verschafft werden, die möglicherweise seinem Zugriff im Wege der Zwangsvollstreckung unterliegen (vgl. BGH, Beschluss v. 19. 5. 2004 – IXa ZB 297 / 03 – juris Rn. 11 m.w.N.). Damit wird dem öffentlichen Interesse daran Rechnung getragen, dem Vollstreckungsgläubiger, dem der Staat als Inhaber des Zwangsmonopols die Selbsthilfe verbietet, die Verwirklichung seines Anspruchs und als Voraussetzung dafür die mit der Offenlegung bezweckte Feststellung der pfändbaren Vermögensgegenstände zu ermöglichen (vgl. BGH, Beschluss v. 19. 5. 2004 – IXa ZB 297 / 03 – juris Rn. 11 m.w.N.). Um dem genannten Zweck gerecht zu werden, müssen die Angaben des Schuldners so genau und vollständig sein, dass der Gläubiger anhand des Vermögensverzeichnisses sofort die möglichen Maßnahmen zu seiner Befriedigung treffen kann (vgl. BGH, Beschluss v. 19. 5. 2004 – IXa ZB 297 / 03 – juris Rn. 11 m.w.N.). Da der Gläubiger bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 850 h ZPO zur Pfändung möglicher Ansprüche Dritter gegen den Dienstberechtigten des Schuldners berechtigt ist, kann er, wenn hinreichende Verdachtsmomente vorliegen, dass der Schuldner Arbeitseinkommen verschleiert, eine Ergänzung des Vermögensverzeichnisses um Angaben verlangen, die eine Überprüfung dieses Verdachts ermöglichen. Ein solcher Verdacht kann sich beispielsweise dann ergeben, wenn der Schuldner ein monatliches Einkommen angibt, aus dem sich der Lebensunterhalt üblicherweise nicht bestreiten lässt, oder der Stundenlohn ungewöhnlich niedrig ausfällt. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Denn die Schuldnerin hat angegeben, von ihrer Arbeitgeberin monatlich 680,– € brutto / netto zu erhalten. Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,50 Stunden ergibt sich hieraus gerade einmal ein Stundenlohn von 4,11 €. Dieser Verdacht ließe sich zwar dadurch entkräften, dass die Schuldnerin nur in Teilzeit arbeitet. Hierzu sind jedoch weitere Angaben erforderlich. Hinzu kommt, dass ein monatlich verfügbares Einkommen unter Berücksichtigung des Kindergeldes in Höhe von 184,– € von insgesamt 864,– € für den Lebensunterhalt von Mutter und Kind zumindest sehr niedrig erscheint.

Vor diesem Hintergrund kann die Gläubigerin die Nachbesserung im tenorierten Umfang verlangen.

Bezüglich der übrigen Fragen, ist die Erinnerung unbegründet. Eine Beantwortung dieser ist im Hinblick auf den Zweck der §§ 802 c, 850 h ZPO nicht erforderlich:

Dafür, dass die Schuldnerin auf dem Arbeitsmarkt deutlich mehr verdienen könnte (Frage 1), liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor. Zumal sie unter Umständen nur in Teilzeit arbeitet, sich der Stundenlohn mithin nach Beantwortung der Fragen als nicht so gering wie vermutet darstellt.

Die Gründe, warum die Schuldnerin keine staatlichen Leistungen in Anspruch nimmt (Frage 2), braucht sie nicht offenzulegen, weil nicht ersichtlich ist, inwieweit die Beantwortung der Durchsetzung der Forderungen der Gläubigerin dienen sollen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Über die Kosten des Erinnerungsverfahrens ist zwar grundsätzlich nach den §§ 91 ff. ZPO zu entscheiden (vgl. BGH, Beschluss v. 16. 7. 2009 – I ZB 80 / 05, Rn. 13; BGH, Beschluss v. 19. 5. 2004 – IXa ZB 297 / 03, juris Rn. 17). Dem Schuldner können die Kosten jedoch nur dann auferlegt werden, wenn er an dem Verfahren zu beteiligen war und Gelegenheit hatte, sich zu äußern (vgl. dazu Lackmann, in: Musielak, ZPO, 11. Aufl. 2014, § 766 Rn. 31; Stöber, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 766 Rn. 34 – unter Berufung auf BGH, Beschluss v. 19. 5. 2004 – IXa ZB 297 / 03, juris Rn. 17). Dies ist bei der hiesigen Entscheidung nach § 766 Abs. 2 ZPO nicht der Fall. Dem Gerichtsvollzieher können keine Kosten auferlegt werden, weil er keine Partei des Erinnerungsverfahrens ist (vgl. BGH, Beschluss v. 19. 5. 2004 – IXa ZB 297 / 03 – juris Rn. 17; Stöber, in: Zöller, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 766 Rn. 37).

Mitgeteilt von B. DE VRIES, Mitarbeiterin der BREMER-INKASSO GmbH, Bremen

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