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AG Mitte, JurBüro 2018, 551

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AG Mitte, Beschl. v. 02.05.2018 – 31 M 8030/18

Vollstreckung / Haftbefehl / Erzwingung der Vermögensauskunft / Hinzuziehung von Zeugen

Fundstelle: JurBüro 2018, 551
Thema: ZPO § 759

Der Gerichtsvollzieher darf nicht ohne konkrete Anhaltspunkte für zu erwartenden Widerstand Zeugen rein vorsorglich hinzuziehen. Auslagen für vorsorglich bereitgestellte, nicht benötigte Zeugen sind dem Gerichtsvollzieher weder vom Gläubiger, noch vom Schuldner zu erstatten. (L.d.R.)

AG Mitte, Beschl. v. 02.05.2018 – 31 M 8030/18

Aus den Gründen:

I. Die Gläubigerin wendet sich gegen den Kostenansatz des Obergerichtsvollziehers bezogen auf die Abrechnung von Kosten vom 02.03.2018 i.H.v. 18,67 € gern. KV 703 Anlage 1 zu § 9 GvKostG für die Hinzuziehung von Zeugen im Rahmen des dritten Verhaftungsversuchs der Schuldnerin kurz vor der Nachtzeit.

Die Gläubigerin hatte dem Obergerichtsvollzieher mit dem Vollstreckungsauftrag vom 20.12.2017 gleichzeitig Verhaftungsauftrag erteilt. Daraufhin lud der Obergerichtsvollzieher die Schuldnerin mit Schreiben vom 16.02.2018 unter Bezugnahme auf den gegen diese ergangenen Haftbefehl des Amtsgerichts Mitte vom 13.02.2018 – 31 M 85/18, für den 22.02.2018 für 15.00 Uhr zur Erzwingung der Vermögensauskunft in sein Büro. Nachdem die Schuldnerin zum Termin nicht erschien, unternahm der Obergerichtsvollzieher am 16.02.2018 um 12.45 Uhr einen erfolglosen weiteren Vollstreckungsversuch und am 02.03.2018 um 18.49 Uhr einen letzten Vollstreckungsversuch unter Hinzuziehung von 2 Zeugen. Die Schuldnerin konnte ebenfalls nicht angetroffen werden. In der Kostenrechnung vom 02.03.2018 rechnete der Obergerichtsvollzieher auch Kosten für Zeugen i.H.v. 18,67 € ab. Auf die Anfrage der Gläubigerin, wofür Zeugenkosten angefallen seien, teilte der Obergerichtsvollzieher am 06.03.2018 mit, dass sich die Schuldnerin der Zwangsvollstreckung entzogen habe und er kurz vor der Nachtzeit einen vorerst letzten Verhaftungsversuch unternommen habe. Dabei sei mit Widerstand zu rechnen gewesen, was die Hinzuziehung von zwei Zeugen gem. § 759 ZPO notwendig gemacht hätte. Die Gläubigerin bat mit Schreiben vom 06.03.2018 um Mitteilung, ob sich die Schuldnerin in irgendeiner Weise gegenüber dem GV geäußert habe, dass sie Widerstand leisten werde oder ob die Vermutung, es sei mit Widerstand zu rechnen, allein darauf basiere, dass die Schuldnerin bisher nicht reagiert habe. Der Obergerichtsvollzieher teilte am gleichen Tag mit, dass sich die Schuldnerin der Verhaftung entzogen habe und er oft Ärger bekomme, wenn er abends auf Verhaftungstour gehe.

Mit Schreiben vom 16.03.2018 stellte der GV nochmals klar, dass er die Zeugen nicht zu seinem Schutz dabei habe und an seinem Kostenansatz festhalte.

Mit Schreiben vom 16.03.2018 bat die Gläubigerin um Vorlage des Vorgangs an das Vollstreckungsgericht zur Entscheidung über die Erinnerung.

Der OGV half der Erinnerung mit Schreiben vom 17.03.2018 nicht ab. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf BI. 22 d. A. Bezug genommen.

II. Die Erinnerung der Gläubigerin ist gem. § 5 Abs. 2 GvKostG, § 766 Abs. 2 ZPO zulässig und begründet. Die streitgegenständliche Kostenrechnung vom 02.03.2018 war bezogen auf die Position »Zeugen« um 18,67 € zu kürzen, denn die Voraussetzungen des § 759 Abs. 2 ZPO bzw. § 62 GVGA lagen nicht vor. Gem. § 759 ZPO hat ein Gerichtsvollzieher Zeugen herbeizuziehen, sofern bei einer Vollstreckungshandlung Widerstand geleistet wird. Widerstand ist jedes Verhalten, das geeignet ist, die Annahme zu begründen, die Zwangsvollstreckung werde sich nicht ohne Gewaltanwendung durchführen lassen (§ 62 Abs. 3 GVGA), wobei Drohungen des Schuldners ausreichen können (vgl. AG Bremen, Beschl. v. 07.03.2017 – 243 M 432994/16, juris Rn. 5; Zöller-Seibel, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 759 Rn. 2). Im vorliegenden Fall gab es keine objektiven Anhaltspunkte dafür, dass von Seiten der Schuldnerin im Rahmen des vom Obergerichtsvollzieher unternommenen vorerst letzten Verhaftungsversuchs kurz vor der Nachtzeit um 18.49 Uhr mit Widerstand gerechnet werden musste. Fest stand allein, dass die Schuldnerin zum Termin im Büro des Obergerichtsvollziehers am 22.02.2018 um 15.00 Uhr nicht erschienen ist und sich damit objektiv zutreffend der Verhaftung zur Abgabe der Vermögensauskunft entzogen hat – und die Schuldnerin beim zweiten Verhaftungsversuch des Obergerichtsvollziehers am 16.02.2018 um 12.45 Uhr ebenfalls nicht in der Wohnung angetroffen werden konnte. Weder der Umstand, dass die Schuldnerin nicht freiwillig zur Verhaftung erscheint, noch der Umstand ihres nicht Antreffens, lassen aber zwingend den Schluss zu, dass sie bei einer Verhaftung kurz vor der Nachtzeit zuhause gegen ihre Verhaftung Widerstand leisten wird. Auch wenn nicht auszuschließen ist, dass eine Schuldnerin, die kurz vor der Nachtzeit festgenommen werden soll, damit nicht einverstanden sein wird, so muss auf den Einzelfall abgestellt werden. Hier lagen weder aus den sonstigen Erfahrungen des Obergerichtsvollziehers mit der Persönlichkeit der Schuldnerin oder eventuell amtsbekannter Erkenntnisse aus dem Umfeld der Schuldnerin konkrete Anhaltspunkte dafür vor, welche die Annahme rechtfertigen könnten, dass die Schuldnerin Widerstand leisten werde. Insbesondere lagen keine Drohungen der Schuldnerin vor, vielmehr hat der Obergerichtsvollzieher sie noch nie gesehen. Allein die aufgrund langjähriger dienstlicher Erfahrungen durchaus nachvollziehbare Befürchtung des Obergerichtsvollziehers, dass es bei Verhaftungstouren am Abend häufig zu Ärger kommt, mag zutreffen, reicht jedoch mangels Bezug auf den Einzelfall für die Annahme von Widerstand i.S.v. § 759 Abs. 2 ZPO in der Person der Schuldnerin gerade nicht aus. Diese Einschätzung basiert auch nicht auf einer realitätsfernen Ignoranz des Gerichts gegenüber der wertzuschätzenden anspruchsvollen und sicher häufig schwierigen Arbeit der Gerichtsvollzieher, sondern auf der Grundlage der insoweit einheitlichen Rechtsprechung und Kommentarliteratur zur Auslegung der durch den Gesetzgeber in § 759 Abs. 2 ZPO geschaffenen Voraussetzungen. Bei allem Verständnis für den Unmut des Obergerichtsvollziehers hinsichtlich der theoretischen Vorstellungen des Gesetzgebers und der Realität der Zwangsvollstreckung und seinem, selbstverständlich anerkennenswerten Bedürfnis zum Schutz seiner Person bzw. zur Deeskalation, bei der Durchführung des Verhaftungsauftrags kurz vor der Nachtzeit Zeugen mitzunehmen, so ist allein der Umstand des Verhaftungsversuchs kurz vor der Nachtzeit noch kein Kriterium, welches von § 759 ZPO gedeckt wäre. Insoweit folgt das Gericht den zutreffenden Ausführungen des LG Bremen, Beschl. v. 20.05.2016 – 2 T 388/15, juris; AG Bremen, Beschl. v. 07.03.2017 a.a.O., sowie AG Dieburg, Beschl. v. 23.12.2015 – 33 M 3859/15, juris.

Der Obergerichtsvollzieher darf nicht ohne konkrete Anhaltspunkte für zu erwartenden Widerstand Zeugen rein vorsorglich hinzuziehen, um im Falle des Bedürfnisses Vollstreckungshandlungen zügig durchführen zu können. Auslagen für vorsorglich bereitgestellte, nicht benötigte Zeugen sind dem Gerichtsvollzieher weder vom Gläubiger, noch vom Schuldner zu erstatten. Ein Hinzuziehen von Zeugen aus Sicherheitsgründen ist zwar nachvollziehbar, aber gesetzlich nicht vorgesehen, abgesehen vom Fall des konkret zu befürchtenden Widerstands des Schuldners. Fehlt es an den gesetzlichen Voraussetzungen, kann es auch nicht in Rechnung gestellt werden (AG Dieburg a.a.O. Rn. 7; Müko-Heßler, § 759 Rn. 5). Der Fall der in der Wohnung der Schuldnerin durchzuführenden Vollstreckungshandlung, welche zwingend die Anwesenheit der Zeugen erforderlich gemacht hätte, lag hier nicht vor. Der Hinweis des Obergerichtsvollziehers gegenüber dem Gläubiger, er habe die Zeugen nicht zu seinem Schutz dabei, erscheint mit Rücksicht auf die Bemerkung im Vorlageschreiben vom 17.03.2018 in Bezug auf die häufigen Attakierungen durch Schuldner, nicht ganz schlüssig. Auch wenn das Gericht Verständnis für den Unmut des Gerichtsvollziehers aufbringen kann, so hat der Gesetzgeber die Voraussetzungen definiert und diese liegen ohne konkrete Anhaltspunkte in der Person der Schuldnerin weder allein im Zeitpunkt des Verhaftungsversuchs kurz vor der Nachtzeit, noch in der erhöhten Gefahr für Attakierungen von Schuldnern gegenüber dem Gerichtsvollzieher kurz vor der Nachtzeit bzw. aus Erfahrungen in einem bestimmten Berliner Kiezbezirk.

Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet, § 4 Abs. 3 und 2 GvKostG i.V.m. § 66 Abs. 8 GKG.

Mitgeteilt von Bernd Drumann, Geschäftsführer der Bremer Inkasso GmbH, Bremen

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