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AG Kassel, JurBüro 2016, 662

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AG Kassel, Beschl. v. 04.07.2016 – 630 M 170/16

Fundstelle: JurBüro 2016, 662
Thema: ZPO § 808

(Kfz-Pfändung durch den Gerichtsvollzieher/Anbringen der Siegelmarke an nicht von außen sichtbarer Stelle/Belassen der Pfandsache im Gewahrsam des Schuldners/Haftung des Gerichtsvollziehers für Wertverlust)

Bei Pfändung eines Gegenstandes durch den Gerichtsvollzieher (hier: Kfz) kann der Gläubiger den Gerichtsvollzieher nicht anweisen, an welcher Stelle des gepfändeten Gegenstandes das Pfandsiegel anzubringen ist. Erklärt sich der Gläubiger ausdrücklich damit einverstanden, dass das gepfändete Fahrzeug im Gewahrsam des Schuldners verbleibt, ist der Gerichtsvollzieher an diese Weisung gebunden. Allerdings scheidet in diesem Fall eine Haftung des Gerichtsvollziehers aus, wenn die Sache dann an Wert verliert oder beschädigt wird. (L.d.R.).

AG Kassel, Beschl. v. 04.07.2016 – 630 M 170/16

Aus den Gründen:

Die Gläubigerin hat mit Antrag vom 07.11.2015 die Pfändung des Pkws des Schuldners der Marke Jaguar, amtliches Kennzeichen KS- … beantragt, mit der Anweisung, dass der Schuldner den Pkw weiter nutzen kann. Nachdem die zuständige Gerichtsvollzieherin auf diesen Antrag hin das Pfandsiegel an dem Türgriff der Fahrertür sowie über dem Türfalz angebracht hat, so dass ein Öffnen der Tür nicht mehr möglich ist, beantragte die Gläubigerin mit Email vom 02.02.2016, das Pfandsiegel so anzubringen, dass es jedenfalls für Dritte nicht von außen sichtbar ist, z.B. unter die Motorhaube. Dies wurde von der Gerichtsvollzieherin abgelehnt und mit Schreiben vom 10.03.2016 ein Kostenvorschuss für die Verwertung in Höhe von 800 € angefordert. Mit Schreiben vom 30.03.2016 legte die Gläubigerin Erinnerung gem. § 766 ZPO ein und begehrt die Anweisung an die Gerichtsvollzieherin, die Siegelmarken an einer unauffälligen Stelle z.B. im Handschuhfach oder unter der Motorhaube anzubringen, die Verwertung auszusetzen und davon Abstand zu nehmen, für das Abschleppen und die Unterstellung einen Kostenvorschuss in Höhe von 800 € zu fordern. Nachdem die Siegelmarken von Auto mehrfach entfernt wurden, wurden diese von der Gerichtsvollzieherin in der Mitte oben der Front- sowie Heckscheibe angebracht.

Die Vollstreckungserinnerung gem. § 766 ZPO ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.

Soweit die Gerichtsvollzieherin nach Entfernung der Siegelmarken diese nicht mehr an dem Türgriff und dem Türfalz angebracht hat, sondern nunmehr an der Mitte oben der Front- und Heckscheibe, ist insoweit von einer teilweisen Abhilfe der Erinnerung durch die Gerichtsvollzieherin auszugehen.

Die Gläubigerin hat jedoch keinen Anspruch auf Anbringung der Siegelmarken an einer nicht sichtbaren Stelle wie in dem Handschuhfach oder unter der Motorhaube. Gem. § 808 Abs. 2 ZPO ist erforderlich, dass die Pfändung ersichtlich gemacht ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn das Pfandstück an einer in die Augen fallenden Stelle mit einer Siegelmarke versehen ist (vgl. Zöller, 30. Aufl., § 808 ZPO Rn. 19). Dies dient u.a. dem Schutz des Dritten vor Erwerb einer gepfändeten Sache. Ein gewisses Maß von Auffälligkeit ist bei einer Pfändung daher immer geboten. So dürfen Siegelmarken nicht so angebracht werden; dass sie für Dritte erst bei einer besonderen Nachschau oder besonderen Aufmerksamkeit erkennbar sind. Dies wäre jedoch bei der Anbringung der Siegel im Handschuhfach oder unter der Motorhaube der Fall. Zwar ist es nicht nötig, dass das Pfandzeichen jedem Beschauer sofort ins Auge fällt. Vielmehr genügt es, wenn das Pfandsiegel bei Anwendung der im Verkehr üblichen Sorgfalt von Dritten bemerkt werden kann, vgl. Zöller, a.a.O. Vorliegend kann mit der nunmehr erfolgten Anbringung der Siegelmarken im oberen Rand der Front- und Heckscheibe der Pkw unproblematisch von dem Schuldner weiter genutzt werden. Wie den von der Gerichtsvollzieherin gefertigten Lichtbildern entnommen werden kann, fallen die Siegelmarken allein aufgrund ihrer Größe auch nicht mehr sofort ins Auge. Andererseits sind sie für Dritte dennoch bemerkbar.

Im Übrigen ist die Erinnerung gem. § 766 ZPO begründet. Soweit der Gläubiger begehrt, die Verwertung auszusetzen und von der Zahlung eines Kostenvorschusses Abstand zu nehmen, steht es in der Dispositionsfreiheit des Gläubigers, von einer weiteren Verwertung Abstand zu nehmen.

§ 808 Abs. 2 ZPO sieht vor, dass andere Sachen als Geld, Kostbarkeiten und Wertpapiere im Gewahrsam des Schuldners zu belassen sind, sofern hierdurch die Befriedigung des Gläubigers nicht gefährdet wird. Dies zu beurteilen ist zwar grundsätzlich Sache des Gerichtsvollziehers. Vorliegend stellt sich die Situation aber anders dar, weil sich die. Gläubigerin ausdrücklich mit dem Belassen der Pfandsache im Gewahrsam der Schuldner in einverstanden erklärt hat. Damit scheidet eine Haftung des Gerichtsvollziehers aus, wenn während des Gewahrsams des Schuldners die Sache beschädigt wird, an Wert verliert oder vom Schuldner beiseite geschafft wird. Der Gerichtsvollzieher ist grundsätzlich an Weisungen des Gläubigers gebunden, sofern diese nicht mit dem Gesetz oder der GVGA im Widerspruch stehen. Vorliegend ist die Weisung des Gläubigers mit dem Gesetz oder GVGA vereinbar, so dass der Pkw beim Schuldner zu belassen ist. Dem steht auch nicht die Schutzwürdigkeit des Gerichtsvollziehers entgegen. Durch die ausdrückliche Weisung des Gläubigers, den Pkw beim Schuldner zu belassen, besteht für den Gerichtsvollzieher kein Haftungsrisiko bzgl. einer Beschädigung oder einem Untergang der Sache mehr, vgl. AG Brake, Beschl. v. 11.07.2007 – 6 M 964/07; AG Mönchengladbach-Rheydt, Beschl. v. 16.04.2013 – 32 M 724/13, Rn. 8, juris; AG Pirna, Beschl. v. 06.05.2013 – 1 M 663/13. Wenn der Pkw jedoch auf Anweisung des Gläubigers beim Schuldner zu belassen ist, bedarf es keines Kostenvorschusses für die Verwertung des Fahrzeuges.

Mitgeteilt von Bernd Drumann, Geschäftsführer der Bremer Inkasso GmbH, Bremen

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