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OLG Celle, JurBüro 2010, 498

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OLG Celle, Beschluß vom 15.03.2010 – 13 U 111/09

JurBüro 2010, 498

Thema: InsO § 133 Abs. 1

Zeitschrift: JurBüro – Das juristische Büro

Autor: Bernd Drumann

Rubrik: Rechtsprechung / Entscheidungen Zwangsvollstreckung

Referenz: JurBüro 2010, 498 – 499 (Ausgabe 9)
InsO § 133 Abs. 1

(Insolvenzverfahren / Gläubigerbenachteiligung / Anfechtung / Kenntnis von drohender Zahlungsunfähigkeit / Beauftragung eines Inkassounternehmens)

Bernd Drumann, Geschäftführer, BREMER INKASSO GmbH, Bremen(www.bremer-inkasso@t-online.de)

Die Tatsache, daß ein Gläubiger den Forderungseinzug sogleich an ein Inkassounternehmen überträgt, rechtfertigt nicht den Schluß, der Gläubiger habe Kenntnis von einer (drohenden) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gehabt. (L.d.R.)

OLG Celle, Beschluß vom 15.03.2010 – 13 U 111/09

Aus den Gründen:

Die Rechtssache dürfte keine grundsätzliche Bedeutung haben und eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erfordern. Nach bisherigem Beratungsstand hat die Berufung auch keine Aussicht auf Erfolg.

Im einzelnen:

1. Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Fa. H GmbH (Schuldnerin) und nimmt die Beklagte im Rahmen der Insolvenzanfechtung auf Rückzahlung von der Schuldnerin im Zeitraum vom 02.09.2004 bis zum 11.02.2005 gezahlter Raten in Höhe von insgesamt 11.476,44 € in Anspruch.

Er ist der Ansicht, daß die Schuldnerin zum Zeitpunkt der Ratenzahlungen zahlungsunfähig gewesen sei bzw. ihr die Zahlungsunfähigkeit zumindest gedroht habe, sie mit dem Vorsatz der Benachteiligung der Gläubiger gehandelt habe und der Beklagten die zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit auch bekannt gewesen sei. Letzteres folge zwingend aus der Beauftragung eines Inkassounternehmens zur Eintreibung der Forderung und der nachfolgend getroffenen Ratenzahlungsvereinbarung.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beauftragung des Inkassounternehmens reiche als Nachweis für die Kenntnis der Beklagten von der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nicht aus. Dasselbe gelte für den Umstand, daß hier nur ein einmaliger Zahlungsrückstand vorgelegen habe. Außerdem habe die Forderung der Beklagten tatsächlich auch nur eine unerhebliche Höhe gehabt. Der Kläger habe auch im übrigen keine ausreichenden Sachverhalte dargelegt, aufgrund derer sich die Kenntnis der Beklagten nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermuten lasse.

2. Die Einwendungen, die der Kläger in der Berufungsbegründung gegen diese Entscheidung des Landgerichts erhebt, rechtfertigen keine abweichende Entscheidung.

Dabei kann dahinstehen, ob die Schuldnerin zum Zeitpunkt der streitbefangenen Ratenzahlungen zahlungsunfähig war bzw. ihr die Zahlungsunfähigkeit zumindest gedroht hat und sie mit dem Vorsatz der Benachteiligung der Gläubiger handelte. Denn jedenfalls hat der Kläger keine hinreichenden Anhaltspunkte vorgetragen, die die Annahme einer Kenntnis der Beklagten von einer – zumindest drohenden – Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin ( § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO ) begründen.

Seinem Vorbringen ist nicht mit der hinreichenden Sicherheit zu entnehmen, daß die Beklagte Umstände kannte, die zwingend auf eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hindeuteten (vgl. zu dieser Anforderung BGH, Urteil vom 20.11.2008 – IX ZR 188/07 – zitiert nach Juris, Rn. 10; st.Rspr.)

a) So überzeugt das Vorbringen, die Beklagte habe im Hinblick auf die Vereinbarung der Ratenzahlung gewußt, daß die Schuldnerin nicht zur Zahlung ihrer fälligen Verbindlichkeiten in der Lage gewesen sei, und daher auch zwingend Kenntnis von einer zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gehabt, hier im Ergebnis nicht.

aa) Zwar trifft es zu, daß die Zahlungseinstellung ein Regelbeispiel der Zahlungsunfähigkeit darstellt ( BGH, Urteil vom 20.12.2007 – IX ZR 93/06 – zitiert nach Juris, Rn. 21). Auch deuten Erklärungen eines Schuldners, eine fällige Verbindlichkeit nicht begleichen zu können, selbst dann auf eine Zahlungseinstellung hin, wenn sie mit einer Stundungsbitte versehen sind ( BGH, Urteil vom 12.10.2006 – IX ZR 228/03 – zitiert nach Juris, Rn. 15). In einem Fall eines gewerblichen Bauträgerunternehmens hat der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung zudem angenommen, es sei für die dortige Anfechtungsgegnerin im Hinblick auf diese Tätigkeit offensichtlich gewesen, daß außer ihr weitere Gläubiger vorhanden waren ( BGH, Urteil vom 20.11.2001 – IX ZR 48/01 – zitiert nach Juris, Rn. 39).

Zugleich kann aber der zwingende Schluß aus Indiztatsachen auf die (drohende) Zahlungsunfähigkeit nur dann gezogen werden, wenn sich ein redlich Denkender, der vom Gedanken an den eigenen Vorteil nicht beeinflußt ist, angesichts der ihm bekannten Tatsachen der Einsicht nicht verschließen kann, der Schuldner sei zahlungsunfähig ( BGH, Urteil vom 19.02.2009 – IX ZR 62/08 – zitiert nach Juris, Rn. 14). Erforderlich ist insofern immer eine Gesamtbetrachtung der dem Gläubiger bekannten Umstände (vgl. BGH, Urteil vom 08.10.2009 – IX ZR 173/07 – zitiert nach Juris, Rn. 11). Daher muß selbst in den Fällen, in denen die Verbindlichkeiten des Schuldners bei dem späteren Anfechtungsgegner über einen längeren Zeitraum nicht ausgeglichen werden und diesem den Umständen nach bewußt ist, daß es noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen gibt, und in denen der Bundesgerichtshof die Kenntnis des Gläubigers von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und von einer Gläubigerbenachteiligung i.S.d. § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO regelmäßig als Beweisanzeichen im Sinne eines Erfahrungs-

InsO § 133 Abs. 1 – JurBüro 2010 Ausgabe 9 – 499

satzes annimmt (vgl. BGH, Urteile vom 13.08.2009 – IX ZR 159/06 – zitiert nach Juris, Rn. 10 und vom 08.10.2009, a.a.O.), darauf abgestellt werden, ob sich die schleppende, möglicherweise erst unter Druck einer angedrohten Zwangsvollstreckung erfolgende oder auch ganz ausbleibende Tilgung der Forderung des Gläubigers bei einer Gesamtbetrachtung der ihm bekannten Umstände, insbesondere der Art der Forderung, der Person des Schuldners und des Zuschnitts seines Geschäftsbetriebs als ausreichendes Indiz für eine solche Kenntnis darstellt (BGH, Urteil vom 08.10.2009, a.a.O.).

bb) Gemessen daran ist das Landgericht bei Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu Recht davon ausgegangen, daß allein die Kenntnis der Beklagten davon, daß ihre eigene fällige Forderung aus den Warenlieferungen in der Zeit vom 18.05.2004 bis zum 18.06.2004 nicht beglichen worden war, verbunden mit der Stundungsbitte der Schuldnerin bei einer Gesamtwürdigung der ihr bekannten Umstände des vorliegenden Sachverhalts hier nicht genügt, um ihre Kenntnis von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin nachzuweisen.

Daß die Beklagte im vorliegenden Fall Kenntnisse über das Gesamtbild der Vermögenslage der Schuldnerin hatte, behauptet selbst der Kläger nicht. Die Beklagte hatte – wie bereits ausgeführt – allein Kenntnis davon, daß ihre eigene fällige Forderung aus den Warenlieferungen in der Zeit vom 18.05.2004 bis zum 18.06.2004 nicht beglichen worden war. Weitere Forderungen anderer Gläubiger waren ihr nicht bekannt. Ohne das Hinzutreten weiterer objektiver Umstände rechtfertigt allein der Abschluß der von der Schuldnerin unter Hinweis auf Zahlungsschwierigkeiten erbetene Ratenzahlungsvereinbarung vorliegend aber nicht die Schlußfolgerung, es habe sich aus Sicht der Beklagten um das typische Bild eines Unternehmens in der Krise gehandelt. Die Schuldnerin befand sich gegenüber der Beklagten erstmalig im Zahlungsrückstand; jedenfalls hat der Kläger nicht dargetan, daß es bereits zuvor zu Zahlungsschwierigkeiten im Verhältnis zur Beklagten gekommen sei. Auch war die fällige Forderung der Beklagten aus Lieferungen vom Mai/Juni 2004 zum Zeitpunkt des Abschlusses der Ratenzahlungsvereinbarung im September 2004 noch nicht „betagt“ (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 20.11.2008, a.a.O., „über einen längeren Zeitraum hinweg“). Dafür, daß es sich dabei um eine – gemessen an sämtlichen Verbindlichkeiten der Schuldnerin – beträchtliche Summe handelte, ist hier nichts ersichtlich. Auf die betreffenden Ausführungen auf Seite 6 des angefochtenen Urteils wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Im übrigen hat das Landgericht auch zutreffend darauf hingewiesen, daß die Wiederaufnahme der Geschäftsbeziehung zur Schuldnerin durch die Beklagte die Annahme stützt, sie habe aus den ihr bekannten Umständen gerade nicht den Schluß auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gezogen.

b) Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts auch insofern, als die Tatsache, daß die Beklagte den Forderungseinzug sogleich an ein Inkassounternehmen übertragen hat, nicht den Schluß rechtfertigt, sie habe Kenntnis von einer (drohenden) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gehabt (vgl. für den Fall der Einschaltung eines Gerichtsvollziehers ebenso: OLG Frankfurt, a.a.O.). Für einen Gläubiger gibt es auch ohne eine solche Kenntnis nachvollziehbare Gründe, seiner Forderung in dieser Weise „Nachdruck“ zu verleihen. So mögen schlicht das Interesse an der Sicherung der eigenen Liquidität wie auch der Wunsch, die Geschäftsbeziehung ohne das „Anhäufen“ unbeglichener Forderungen fortführen zu können, mitbestimmend für die Beauftragung eines Inkassounternehmens sein. Nicht zuletzt stellt die Übertragung des Forderungseinzugs auch eine verwaltungsmäßige Erleichterung für das übertragende Unternehmen dar.

c) Schließlich trifft auch der Einwand nicht zu, das Landgericht habe verfahrensfehlerhaft von der Vorlage der Ratenzahlungsvereinbarung abgesehen.

Das Gericht hat der Beklagte mit der Terminsverfügung vom 11.03.2009 aufgegeben, „den mit der Inkasso GmbH geschlossenen Vertrag zum Forderungseinzug gegenüber der Fa. H GmbH“ vorzulegen. Selbst wenn dem Kläger zuzugeben ist, daß diese Anordnung nicht zum Ausdruck gebracht hat, daß – wie von ihm begehrt – die Ratenzahlungsvereinbarung vorgelegt werden sollte, hat die Beklagte sie dennoch im Sinne des Klägers verstanden und mit Schriftsatz vom 05.05.2009 mitgeteilt, daß der „Teilzahlungsvergleich“ nicht mehr auffindbar sei und daher nicht vorgelegt werden könne; vorgelegt hat sie statt dessen die noch vorhandene Bestätigung der getroffenen Vereinbarung gegenüber der Schuldnerin. Mit Schriftsatz vom 29.05.2009 hat die Beklagte die Unmöglichkeit einer Vorlage der Ratenzahlungsvereinbarung wiederholt.

Vor diesem Hintergrund lagen die Voraussetzungen des § 142 Abs. 1 ZPO („in seinem Besitz befindliche Urkunden“) nicht vor, so daß für das Landgericht auch kein Anlaß zu einer (weiteren) Ermessensentscheidung und darauf bezogenen Ausführungen im Urteil bestand (daher anders als im vom Kläger zitierten Urteil des BGH vom 26.06.2007 – XI ZR 277/05 ).

Anmerkung

Das OLG Celle hat mit Beschluß v. 09.04.2010 – 13 U 111/09 – die Berufung dann auch kostenpflichtig gem. § 522 Abs. 2 ZPO aus den Gründen des vorangehend veröffentlichten Beschlusses vom 15.03.2010 zurückgewiesen.

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