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OLG Oldenburg, JurBüro 2006, 481

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OLG Oldenburg, Versäumnisurteil vom 24.04.2006 – 11 U 8 / 06

Fundstelle: JurBüro 2006, 481

Thema: BGB § 280, 286; RVG VV Nr. 2400, RVG VV Vorbemerkung 3 Abs. 4

(Forderungseinzug durch Inkassobüro / Kostenerstattung / Höhe / Vergleich mit Anwaltsgebühren)

Bernd Drumann, Geschäftsführer der BREMER INKASSO GMBH, Bremen (www.bremer-inkasso.de)

  1. Nach nahezu einhelliger Meinung (auch BGH, Urteil v. 24.05.1967, AZ. VIII ZR 278 / 64) stellen die Kosten eines zugelassenen Inkassobüros regelmäßig einen vom Schuldner zu ersetzenden Verzugsschaden dar.
  2. Da vergleichbare Rechtsanwaltskosten für die vorgerichtliche Tätigkeit nur noch zur Hälfte, jedoch höchstens mit 0,75 auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist, ist die bisherige Rechtsprechung, nach der eine Erstattungsfähigkeit der Kosten des Inkassobüros abgelehnt wird, wenn der Gläubiger voraussehen konnte, daß später im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens doch ein Rechtsanwalt beauftragt werden muß, in Anbetracht der Regelungen des jetzt geltenden RVG zu modifizieren.
  3. Der Gläubiger hat die freie Wahl zwischen einem zugelassenen Inkassounternehmen, einem Rechtsbeistand und einem Rechtsanwalt. Deshalb ist es nicht zulässig, die nicht anrechenbare Hälfte der Geschäftsgebühr des Rechtsanwalts (Teil 2 Abschnitt 4 VV 2400 oder 2402 RVG) in besonderen Fällen der erkennbaren Zahlungsunfähigkeit und -unwilligkeit des Schuldners als erstattungsfähig anzunehmen, jedoch demgegenüber die Erstattung eines Anteils der Inkassogebühren in dieser Höhe abzulehnen. (L.d.E.)

OLG Oldenburg, Versäumnisurteil vom 24.04.2006 – 11 U 8 / 06

Aus den Gründen:

Da die Beklagten trotz ordnungsgemäßer Ladung in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten waren, ergeht die Entscheidung als Versäumnisurteil, aber aufgrund sachlicher Prüfung (BGHZ 37, 79, 81).

Die Berufung ist nicht begründet.

Die Klägerin kann von den Beklagten nach §§ 280, 286 BGB keine Erstattung der Inkassokosten von 809 € verlangen.

Allerdings stellen nach nahezu einhelliger Meinung (z.B. Soergel-Wiedemann, BGB, 12. Aufl. 1990, § 286 Rn. 27; BGH, Urteil v. 24.05.1967, Az. VIII ZR 278 / 64) die Kosten eines zugelassenen Inkassobüros regelmäßig einen vom Schuldner zu ersetzenden Verzugsschaden dar. Für eine grundsätzliche Erstattungsfähigkeit spricht, daß von dem in Verzug befindlichen Schuldner alle Kosten von zweckentsprechenden Maßnahmen der Rechtsverfolgung zu erstatten sind. Außerdem muß es dem Gläubiger überlassen bleiben, welchen Weg er beschreitet, um zur Erfüllung seines Anspruchs zu kommen.

Lediglich dann, wenn der Schuldner für den Gläubiger erkennbar zahlungsunwillig oder -unfähig ist, und daher voraussehbar ist, daß später doch ein Rechtsanwalt beauftragt werden muß, wird überwiegend eine Erstattungsfähigkeit verneint (so für die Zeit der Geltung der BRAGO: OLG Karlsruhe, NJW-RR 1987, 15 [OLG Karlsruhe 11.06.1986 – 6 U 234/85]; MüKo-Ernst, BGB, 4. Aufl., § 286 Rn. 157 m.w.N. und Soergel-Wiedemann, a.a.O., § 286 Rn. 27 m.w.N.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Zwar ergaben sich für die Klägerin aus dem Schreiben der Beklagten zu 1 vom 13.04.2005 zunächst lediglich vorübergehende Zahlungsschwierigkeiten der Beklagten zu 1, zumal da die Beklagte zu 1 am 07.04.2005 auch einen Teilbetrag von 4 000 € auf die Rechnung vom 28.02.2005 gezahlt hatte. Als die Beklagte zu 1 dann aber nach Ablauf der in ihrem Schreiben vom 13.04.2005 genannten Frist keine weitere Zahlung leistete, entschloß sich die Klägerin, die Mietstapler am 12.05.2005 zurückzuholen. Mangels anderweitigen Vortrags der Klägerin ist deshalb davon auszugehen, daß die Klägerin die Geräte zurückholte, weil sie zu diesem Zeitpunkt von einer Zahlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit der Beklagten zu 1 ausging. Hierfür spricht zudem, daß die Beklagte zu 1 außerdem unmittelbar zuvor, nämlich mit Schreiben vom 11.05.2005, erstmals einen Haarriß an einem der Stapler beanstandet hat. Bei dieser Sachlage steht zur Überzeugung des Senats fest, daß die Klägerin bei Beauftragung des Inkassobüros nicht davon ausgehen durfte, die Forderung werde ohne Einschaltung der Gerichte beitreibbar sein. Vielmehr stellte sich die Beauftragung des Inkassobüros aus Sicht der Klägerin als überflüssig dar, da auch für sie eine Zahlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit der Beklagten erkennbar war.

Allerdings ist durch den Wegfall der BRAGO und die Einführung des RVG dem weit verbreiteten Argument, die Kosten durch die Einschaltung eines Inkassobüros dürften nicht höher sein, als wenn von vornherein ein Rechtsanwalt eingeschaltet worden wäre, der Boden teilweise entzogen. Denn die Geschäftsgebühr für eine vorgerichtliche Tätigkeit eines Anwalts nach § 118 Abs. 2 S. 1 BRAGO war insgesamt auf die Verfahrensgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO anzurechnen, und somit für die dem gerichtlichen Verfahren vorausgehende Mahnung des Schuldners durch den Rechtsanwalt keine gesonderte Gebühr zu zahlen. Nach dem seit Juli 2004 geltenden RVG entsteht, wenn ein Rechtsanwalt allein den Auftrag erhält zu mahnen, weil zu erwarten ist, daß der Schuldner zahlt, wenn ein Rechtsanwalt die Angelegenheit betreibt, eine Gebühr nach Teil 2 Abschnitt 4 VV 2400 oder 2402 RVG. Diese Gebühr wird bei einer nachfolgenden Vertretung durch den Rechtsanwalt im gerichtlichen Verfahren nach Teil 3 Vorbemerkung 3 Absatz 3 RVG lediglich noch zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührenansatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr nach Teil 3 Abschnitt 1 VV 3100 RVG angerechnet. Die bisherige Rechtsprechung, nach der eine Erstattungsfähigkeit der Kosten des Inkassobüros abgelehnt wird, wenn der Gläubiger voraussehen konnte, daß später im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens doch ein Rechtsanwalt beauftragt werden muß, ist deshalb in Anbetracht der Regelungen des jetzt geltenden RVG zu modifizieren.

In der Literatur stellt Heinrichs (Palandt-Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 286 Rn. 49) im Zusammenhang mit der Frage der Erstattungsfähigkeit von Kosten eines Inkassobüros ohne nähere Begründung oder Vertiefung fest, die überwiegende Ansicht nehme an, Obergrenze für die Ersatzpflicht des Schuldners seien wegen § 254 BGB die Sätze des RVG.

In den Fällen, in denen der Gläubiger nicht davon ausgehen durfte, die Forderung werde ohne Einschaltung der Gerichte beigetrieben werden können, kann deshalb entweder der Schluß gezogen werden, daß Gebühren eines Inkassobüros stets mit der Hälfte einer Gebühr nach Teil 2 Abschnitt 4 VV 2400 oder 2402 RVG, beschränkt auf einen Gebührenansatz von 0,75, zu erstatten sind, oder aber weder ein Teil der Gebühren des Inkassounternehmens, noch der Gebührenteil des Rechtsanwalts nach Teil 2 Abschnitt 4 VV 2400 oder 2402 RVG, der nach Teil 3 Vorbemerkung 3 Absatz 3 RVG nicht auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist, vom Schuldner als Verzugsschaden zu erstatten ist. Vor dem Hintergrund der Schadensminderungspflicht des Gläubigers nach § 254 Abs. 2 BGB ist diese Frage nach Ansicht des Senats in Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Gläubiger die Erfolglosigkeit der Bemühungen des Inkassobüros hätte erkennen können, dahin zu beantworten, daß weder Teile der Gebühren des Inkassounternehmens, noch der Gebührenteil des Rechtsanwalts, der nach Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 RVG nicht auf die Verfahrensgebühr angerechnet wird, erstattungsfähig sind. Denn eine Partei ist gehalten, unter mehreren Möglichkeiten, eine Forderung geltend zu machen, die kostengünstigste zu wählen (vgl. zur Erstattungsfähigkeit der Mehrkosten bei Beauftragung eines Rechtsbeistands im Mahnverfahren: BGHreport 2006, 268). Das aber bedeutet, daß im Falle eines erkennbar zahlungsunfähigen oder -unwilligen Schuldners nach erfolgloser Mahnung durch den Gläubiger selbst ein Rechtsanwalt mit der Einleitung des gerichtlichen Mahnverfahrens beauftragt werden muß.

Zu beachten ist dabei nicht nur für die Frage der Ersatzpflicht, sondern auch für die der Höhe der Ersatzpflicht, daß der Gläubiger grundsätzlich die freie Wahl zwischen einem zugelassenen Inkassounternehmen, einem Rechtsbeistand und einem Rechtsanwalt haben muß. Deshalb ist es nicht zulässig, die nicht anrechenbare Hälfte der Geschäftsgebühr des Rechtsanwalts (Teil 2 Abschnitt 4 VV 2400 oder 2402 RVG) in diesen besonderen Fällen der erkennbaren Zahlungsunfähigkeit und -unwilligkeit des Schuldners als erstattungsfähig anzunehmen, jedoch demgegenüber die Erstattung eines Anteils der Inkassogebühren in dieser Höhe abzulehnen.

Die Berufsfreiheit von Inkassobüros oder Rechtsbeiständen wird durch ein solches Verständnis des erstattungsfähigen Verzugsschadens nicht in unzulässiger Weise eingeschränkt. Soweit die Tätigkeit von Inkassobüros und Rechtsbeiständen gegenüber der Tätigkeit von Rechtsanwälten bei der Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten beschränkt sind, beruht dies auf § 78 ZPO, der für bestimmte Rechtsangelegenheiten eine Vertretung durch Rechtsanwälte vorschreibt.

Diese Entscheidung gegen eine, auch nur teilweise, Erstattung der Inkassogebühr steht im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Denn auch der Bundesgerichtshof hat in seiner vorgenannten Entscheidung aus dem Jahre 1967 (Az. VIII ZR 278 / 64), nach der die einem Gläubiger durch den Auftrag zur Einziehung einer Forderung bei einem Inkassobüro entstandenen Kosten als Verzugsschaden anzusehen sind, der grundsätzlich gemäß § 286 BGB zu ersetzen ist, auch unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht des Gläubigers nach § 254 Abs. 2 BGB die Frage aufgeworfen, ob der Gläubiger eine Erfolglosigkeit der Bemühungen des Inkassobüros voraussehen konnte. In einer Entscheidung aus dem Jahre 2005 (NJW 2005, 2991, 2994 [BGH 29.06.2005 – VIII ZR 299/04]) zitierte der Bundesgerichtshof diese frühere Entscheidung, ohne sich allerdings anschließend dazu zu äußern, ob er seine damalige Ansicht (ganz oder in Teilen) aufrechterhält.

Aber selbst wenn man hier dennoch grundsätzlich die Kosten eines zugelassenen Inkassobüros als Verzugskosten als teilweise – nämlich in Höhe der nach Teil 3 Vorbemerkung 3 Absatz 3 RVG nicht auf die Verfahrensgebühr anzurechnenden Geschäftsgebühr – erstattungsfähig annähme, müßte die Erstattungsfähigkeit im vorliegenden Fall weiter eingeschränkt werden, weil die Kosten üblicher Eigenbemühungen eines Gläubigers nie erstattungsfähig sind. Denn um die Einziehung geschäftlicher Forderungen muß sich der Gläubiger zunächst einmal selbst in angemessener Form, etwa durch eine weitere Mahnung oder durch die Androhung der Einschaltung eines Inkassobüros, eines Rechtsanwalts oder gerichtlicher Schritte, selbst bemühen, ehe er ein Inkassobüro tatsächlich einschaltet (vgl. im einzelnen Staudinger-Löwisch, BGB, Bearbeitung 2004, § 286 Rn. 217). Diese Voraussetzungen hat die Klägerin hier nicht erfüllt, da sie selbst die Beklagte zu 1 nicht gemahnt hat. Denn das Schreiben vom 10.05.2005 ist nicht als Mahnung des Gesamtbetrages zu qualifizieren, da die Aufforderung zur Zahlung für den Gesamtbetrag von € 10 174,04 auch einen Betrag aus der erst am 10.05.2005 erstellten und am 11.05.2005 fälligen Rechnung über 5 887 € enthält. Deshalb wären hier Inkassokosten allenfalls abzüglich des auf die üblichen Eigenbemühungen entfallenden Anteils zu ersetzen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Da es keine einheitliche obergerichtliche Rechtsprechung zu dem Problemkreis der Erstattung von Inkassokosten gibt, und die Frage, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe der Schuldner für Kosten einzustehen hat, die – wie hier – durch die Einschaltung eines Inkassobüros entstanden sind, bisher nicht abschließend geklärt ist, war eine Entscheidung durch Urteil und auch eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO geboten.

Anmerkung

Der Entscheidung ist bezüglich einiger seiner grundsätzlichen Aussagen zuzustimmen (siehe Leitsatz 1 bis 3).

Soweit das Gericht – bei erkennbar zahlungsunfähigen oder -unwilligen Schuldnern – jedoch weder einem Anwalt den Gebührenteil nach Teil 2 Abschnitt 3 VV 2300 oder 2302 RVG, der nach Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG, nicht auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist, zusprechen würde, noch – in Folge dessen – vergleichbare Kosten des Inkassounternehmers als erstattungsfähig ansieht, ist dieser Entscheidung entgegenzutreten.

Zutreffend geht das Gericht davon aus, daß nicht mit zweierlei Maß gemessen werden kann. Wären vergleichbare Anwaltskosten zuzusprechen, hat dieses die Konsequenz, daß nach der bisherigen Rechtsprechung mindestens in dieser Höhe auch vergleichbare Inkassokosten zuzusprechen sind. Alles andere wäre in der Tat unzulässig (siehe Leitsatz 3).

Nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 20.02.2002 – 1 BvR 423 / 99 und Urteil vom 14.08.2004 – 1 BvR 725 / 03) ist es dem Gläubiger erlaubt, ein Inkassounternehmen zu beauftragen, daß grundsätzlich umfassend und vollwertig die Beratung des Rechtssuchenden, wenn auch nur in einem bestimmten Bereich, vornehmen darf. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts übernehmen Inkassounternehmen die Verantwortung für die wirkungsvolle Durchsetzung von Forderungen. Sie übernehmen nicht nur die schlichte Mahn- und Beitreibungstätigkeit oder eine kaufmännische Hilfstätigkeit. Sie dürfen vielmehr auf die ‚Rechtslage hinweisen, die den zahlungsunwilligen Schuldner zum außergerichtlichen Einlenken bewegen soll‘. Inkassounternehmen dürfen laut Bundesverfassungsgericht Ansprüche geltend machen, zu deren Durchsetzung rechtliche Argumente erforderlich sind. Inkassounternehmen dürfen auch (… beruhte die Zahlungsverweigerung eines Schuldners nicht auf Zahlungsunfähigkeit …) bei Zahlungsverweigerung und Zahlungsunfähigkeit beauftragt werden.

Inkassounternehmen sind daher grundsätzlich – auch bezüglich bestrittener Forderungen in gleichem Umfang wie Anwälte – berechtigt sich um den Einzug der Forderung – im Rahmen ihrer Zulassung – zu bemühen. Bestrittene Forderungen dürfen ebenso übernommen werden, wie Forderungen gegenüber zahlungsunwilligen oder zahlungsunfähigen Schuldnern.

Die Kommentierung von Palandt, 65. Aufl., 2006, BGB, § 286 Rn. 49 ‚… kommt es anschließend zum Prozeß, können die Inkassokosten idR nicht zusätzlich zu den RA Kosten beansprucht werden, da der Gläubiger zur Schadensminderung den RA sogleich hätte beauftragen können‘, greift nicht mehr, da in Folge der Einführung des RVG der Gläubiger eben selbst dann nicht mehr gegen seine Schadensminderungspflicht verstößt, wenn er sich mit einer bestrittenen Forderung oder einer Forderung deren Schuldner voraussichtlich zahlungsunwillig oder zahlungsunfähig ist, an einen Inkassounternehmer wendet. Selbst also bei solchen Forderungen entsteht kein höherer Schaden.

Auch Anwaltskosten wären – bei dem vorliegenden Sachverhalt – zu erstatten gewesen. Mit der erstmalig im RVG geregelten hälftigen Anrechnung der Geschäftsgebühr, verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, durch Honorierung außergerichtlicher Erledigungen, Prozesse zu vermeiden (BT-Drucks. 15 / 1971, S. 2, 149, 209). Diesem gesetzlichen Grundgedanken liefe es zu wider, wenn man den Gläubiger verpflichten wollte, seinen Anwalt sofort mit der Fertigung der Klage zu beauftragen. Es würde geradezu eine Prozeßflut nach sich ziehen. Der nicht rechtskundige Gläubiger müßte schon vom Anwalt beim Erstgespräch darauf hingewiesen werden, daß er – wenn er nicht auf einen Teil der Kosten sitzen bleiben will – sofort klagen müsse. Kann er sich die zusätzliche Kostenlast nicht leisten und entscheidet er sich für den Klagweg, entgeht ihm die immerhin bestehende Möglichkeit, kostengünstig an sein Geld zu kommen. Es vergrößert sich für ihn das Risiko, am Ende auf beträchtliche Prozeßkosten sitzen zu bleiben, da ein Prozeß oftmals lange dauert und im Gegensatz dazu eine vorgerichtliche Ansprache in mehr als 60 % aller Fälle zum Erfolg führt. Es vergrößert sich für ihn das Risiko, daß der Schuldner den Prozeß überhaupt nicht ‚überlebt‘ und der Gläubiger am Ende gar nicht zu seinem Geld kommt.

Der Schuldner, der sich gar bei fundierten rechtlichen Argumenten im Rahmen einer vorgerichtlichen Tätigkeit noch zur außergerichtlichen Einigung (vielleicht auch nur vergleichsweise) hätte hinreißen lassen, könnte im Prozeß einwenden, der Gläubiger habe gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen, da er sofort geklagt habe. Schließlich könnte er – unwiderlegt – behaupten, er hätte bei vorgerichtlicher Einschaltung eines Anwaltes sofort gezahlt. Dieses geht natürlich ebenso wenig, wie die – auf die nachträgliche Betrachtungsweise basierende – Auffassung, die außergerichtlichen Bemühungen seien erfolglos verlaufen womit eine Erstattungsfähigkeit von Anwalts- oder Inkassokosten ausscheide, wenn man es mit einem zahlungsunwilligen oder zahlungsunfähigen Schuldner zu tun hat.

Die letztlich bei solchen Forderungen (zahlungsunwillige oder zahlungsunfähige Schuldner) aus einer solchen Rechtsprechung resultierende Eliminierung der vorgerichtlichen Tätigkeit sowie Explosion der gerichtlichen Verfahren steht eindeutig im Widerspruch zur gesetzlich gewollten Tätigkeit der Inkassounternehmen in diesem Bereich. Faktisch kommt dieses einer Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit gleich. Es wäre abstrus, daß der Gesetzgeber über das RBerG die gerne gesehene vorgerichtliche Tätigkeit im Forderungseinzug fördert, zum anderen aber durch eine solche Rechtsprechung das Gegenteil ausgelöst wird.

Zur Definition des Begriffes des ‚ersatzfähigen Verzugsschadens‘ wird ohnedies nur künstlich die Norm des § 254 BGB bemüht. Der Gesetzgeber spricht in § 254 Abs. 2 BGB tatsächlich nur davon, daß der Schuldner nicht mit einem ‚ungewöhnlich hohen Schaden rechnen‘ muß. Der Gesetzgeber weist aber die Tätigkeit der Inkassounternehmen im RBerG – sh. auch Bundesverfassungsgericht – als erlaubte Tätigkeit im Forderungseinzug aus. Demzufolge muß jeder Schuldner damit rechnen, daß ein Gläubiger im Verzugsfalle ein Inkassounternehmen – natürlich auch einen Anwalt – mit der außergerichtlichen Tätigkeit beauftragt, womit dessen Kosten auch anfallen. Auszulegen ist diese Norm deshalb dahingehend, daß der Gläubiger sich lediglich nur nicht an ein außergewöhnlich teures Inkassounternehmen wenden darf. Zur Üblichkeit von Inkassokosten: Prof. Dieter Jenisch, Verkehrsüblichkeit vorgerichtlicher Inkassokosten, ZVI 2003, 441; AG Delmenhorst, JurBüro 2002, 319 mit Anm. Wedel (üblich sind Inkassokosten bis zu einer 15 / 10 Gebühr analog BRAGO).

Hinnehmbar wäre allerdings m.E. – wenn bereits bei Beauftragung des Inkassounternehmens oder des Anwaltes die Forderung ernsthaft bestritten war – eine Rechtsprechung, nach der die Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit solcher vorgerichtlicher Kosten ist, daß sich das Inkassounternehmen oder der Anwalt mit dem Streitstoff erkennbar auseinandergesetzt hat. Es muß ersichtlich sein, daß die zu Gebote stehenden rechtlichen Argumente im vorgerichtlichen Schriftverkehr verarbeitet worden sind. Wird hingegen trotz streitiger Forderung ein einfaches Schreiben versandt, ohne auf den Streitstoff einzugehen, entfällt die Erstattungsfähigkeit solcher Kosten.

Das gilt also auch für einen Schuldner, der sich erkennbar nur durch ein Gericht überzeugen lassen will. Wie bereits ausgeführt, muß der Schuldner nur nicht mit ungewöhnlich hohem Schaden rechnen. Die vorgerichtliche Tätigkeit ist vom Gesetzgeber gewollt. Es gibt gesetzliche Gebühren für die vorgerichtliche Tätigkeit des Anwalts. Mit diesen muß der Schuldner deshalb stets rechnen. Er kann sich sogar selbst ausrechnen – wenn er eine RVG-Kostentabelle hat – was es kostet, wenn er die Sache bis zum gerichtlichen Verfahren aussitzt. Wenn sich der Schuldner den Luxus erlauben kann, sich alleine durch das Gericht von seiner falschen Auffassung abbringen zu lassen, muß er eben auch diese erhöhten Kosten zahlen. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn er vor Gericht seinen Standpunkt auch durchsetzt. Dann wird aber auch die Kostenentscheidung entsprechend aussehen.

Sodann geht das Berufungsgericht auch unzutreffend davon aus, daß der Gläubiger vor der Beauftragung eines Inkassounternehmens oder eines Rechtsanwalts hinreichende Eigenbemühungen vornehmen muß.

Vorgerichtliche Inkassokosten – und auch Rechtsanwaltskosten – stellen einen Verzugsschaden i.S.d. § 286 BGB dar. Voraussetzung dafür ist der Verzug des Schuldners. Wollte man annehmen, daß neben der Herbeiführung des Verzugs der Gläubiger noch weitere Eigenbemühungen für einen berechtigten Erstattungsanspruch hinsichtlich des Verzugsschadens zu erledigen hat, würde man die Voraussetzungen eines Verzugsschadenersatzanspruches unzulässig erweitern. Ebenso würden die Intentionen und Zielsetzungen des Gesetzgebers, die er insbesondere mit dem Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30.03.2000 beabsichtigt hat, wieder erheblich und unzulässig zurückgeführt werden. Denn wenn der Schuldner davon ausgehen kann, daß er erst dann die Kosten eines Inkassounternehmens oder Rechtsanwalts zu tragen hat, wenn der Gläubiger – trotz Verzug des Schuldners – noch umfangreiche Eigenbemühungen zu entfalten hat, bevor er sich an einen Anwalt oder an ein Inkassounternehmen wenden darf, kann sich der Schuldner eben noch mehr Zeit lassen, berechtigte Forderungen auszugleichen und sich damit in unzulässiger Weise auf Kosten des Gläubigers Kredit verschaffen. Das hat der Gesetzgeber sicher mit dem ‚Gesetz zur Beschleunigung von Zahlungen‘ nicht im Sinn gehabt. Denn danach soll ja gerade bei gewerblichen Schuldnern Zahlungsverzug schon 30 Tage nach Zugang und Fälligkeit einer Rechnung eintreten und zwar ohne jede Mahnung (Eigenbemühung).

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