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AG Mannheim, JurBüro 2021, 555

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AG Mannheim, Beschl. v. 28.05.2021 – 16 M 4/21

Ruhendstellung eines Vollstreckungsauftrages / Gerichtsvollzieherkosten

Fundstelle: JurBüro 2021, 555
Thema: ZPO § 753; GVO § 27; GvKostG § 10

Ein Gläubiger kann den Gerichtsvollzieher anweisen, die Vollstreckung ruhen zu lassen. Wurden bei längerer, zulässiger Unterbrechung des Auftrages durch Ruhendstellung des Verfahrens bereits Gebühren abgerechnet, sind diese auf die neue Kostenrechnung anzurechnen. (L.d.R.)

Aus den Gründen:

I. Mit Schreiben vom 09.03.2020 erteilte die Erinnerungsführerin einen Zwangsvollstreckungsauftrag. Mit Schreiben vom 05.08.2020 bat sie gegenüber der zuständigen Gerichtsvollzieherin, das »Verfahren – unter vorläufiger Kostenabrechnung und Rücksendung der Vollstreckungsunterlagen – ruhen zu lassen. Ferner führte sie aus: »Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass der Antrag nicht zurückgenommen wird, sondern das Ruhen beantragt wird (§ 27 GVO).«

Unter dem 18.08.2020 führte die Gerichtsvollzieherin aus, vorliegend sei der Auftrag mit Schreiben vom 05.08.2020 zurückgenommen worden, und stellte 18 € (KV 604 sonstige Erledigung: 15 €; KV 716 Auslagenpauschale 3 €) in Rechnung (04 QR II 608/20). Die Vollstreckungsunterlagen sandte sie zurück.

Mit Schreiben vom 30.11.2020, bei der Gerichtsvollzieherin eingegangen am 07.12.2020, legte die Erinnerungsführerin die Vollstreckungsunterlagen wieder vor und bat um Fortsetzung des Auftrags vom 09.03.2020.

Daraufhin führte die Gerichtsvollzieherin gegenüber der Erinnerungsführerin mit Schreiben vom 10.12.2020 aus, dass es sich um einen neuen Auftrag gem. § 3 Abs. 4 GvKostG handele. Da mehr als drei Monate (seit dem Auftrag, das Verfahren ruhen zu lassen), vergangen seien, handele es sich um einen neuen Auftrag.

Mit Schreiben vom 04.01.2021 widersprach die Erinnerungsführerin und verwies darauf, dass ein neuer Auftrag nicht vorliege, sondern das Verfahren nur ruhend gestellt gewesen sei. Dazu erwiderte die Gerichtsvollzieherin mit Schreiben vom 11.01.2021, es handele sich kostenrechtlich gem. § 3 Abs. 4 GvKostG um einen neuen Auftrag.

Die Erinnerungsführer vertiefte mit Schreiben vom 05.02.2021 ihren Standpunkt und beantragte, für den Fall, dass die Gerichtsvollzieherin sich dieser Ansicht nicht anschließen wolle, den Vorgang dem Vollstreckungsgericht zur Entscheidung vorzulegen (§ 766 ZPO).

Mit Schreiben vom 04.03.2021 (04 DR II 900/20) rechnete die Gerichtsvollzieherin, nachdem sie den Schuldner nicht antreffen konnte, weitere 30,85 € ab (KV 604: unerledigte Verhaftung; KV 208: 8 €; KV 711 Wegegeld 3,25 € und KV 716 Auslagenpauschale 4,60 €).

Die zentrale Prüfbeamtin in Haus nahm Stellung. Es werde den korrekten Ausführungen der Gerichtsvollzieherin zugestimmt.

II. Die zulässige Erinnerung ist begründet.

1. Ein Gläubiger kann nach zutreffender Ansicht den Gerichtsvollzieher anweisen, die Vollstreckung ruhen zu lassen (Zöller/Seibel, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 753 ZPO Rn. 4). Dieses bedeutet ein Ruhen des Verfahrens nach § 27 GerVO.

2. Gem. § 27 Abs. 1 Satz 1 GerVO gilt, gewährt der Gläubiger dem Schuldner eine Frist von unbestimmter Dauer oder von mehr als zwölf Monaten, gilt für die Akten- und Buchführung des Gerichtsvollziehers der Auftrag als büromäßig erledigt. Dabei geht es um die geschäftsmäßige Behandlung des Auftrags bei längerem Stillstand, nicht um ein Ruhen des Verfahrens i.S.d. § 251 ZPO. Auch wenn bisherige Vollstreckungsmaßnahmen bestehen bleiben und das Vollstreckungsverfahren noch »anhängig« ist, gilt für den Gerichtsvollzieher der Auftrag büromäßig als erledigt (Musielak/Voit/Lackmann, 18. Aufl. 2021, ZPO § 753 Rn. 14). Er gibt dem Gläubiger den Schuldtitel zurück und setzt die Vollstreckung nur auf besonderen Antrag des Gläubigers fort (BGH, NJW-RR 2019, 1531 [BGH 04.07.2019 – I ZB 71/18] Rn. 12; MüKo-ZPO/Heßler, 6. Aufl. 2020, § 753 Rn. 44, 45).

3. In einem solchen Fall wird das Verfahren – je nach zeitlichem Ablauf auch nach Rückgabe der Vollstreckungsunterlagen – auf Antrag des Gläubigers fortgesetzt, ohne dass für eine solche Fortsetzung ein, neues Formular erforderlich ist (BGH, NJW-RR 2019, 1531 [BGH 04.07.2019 – I ZB 71/18] Rn. 12). Dieser Antrag stellt keinen neuen Auftrag im Sinne des Kostenrechts dar (AG Mannheim, Beschl. v. 25.06.2020 – 16 M 3/20; BeckOK KostR/Herrfurth, 33. Ed. 01.04.2021, GvKostG § 3 Rn. 79). § 3 Abs. 4 Halbs. 1 GvKostG ist nicht einschlägig, da die Erinnerungsführerin in ihrem Schreiben vom 05.08.2020 ausdrücklich klarstellte: »Wir weisen ausdrücklich daraufhin, dass der Antrag nicht zurückgenommen wird, sondern das Ruhen beantragt wird (§ 27 GVO)« (vgl. Toussaint/Uhl, 51. Aufl. 2021, GvKostG § 3 Rn. 61). Darin liegt keine Rücknahme, da eine darauf gerichtete Erklärung eindeutig den Willen des Auftraggebers beinhalten muss, der Gerichtsvollzieher solle diesen Auftrag nicht mehr weiterbearbeiten, er solle ihn also endgültig und nicht nur vorübergehend liegen lassen (Toussaint/Uhl, a.a.O., GVKostG § 3 Rn. 60). Daher gelten für das Ruhen auch besondere Fälligkeitsvorschriften (§ 14 GvKostG): Die Fälligkeit einer Gebühr tritt auch ein, soweit der Auftrag länger als zwölf Kalendermonate ruht, § 27 GVO (Kindl/Meller-Hannich/Kawell, Zwangsvollstreckung, 4. Aufl. 2021, GVKostG § 14 Rn. 6; Toussaint/Uhl, a.a.O., GvKostG § 14 Rn. 6; BeckOK KostR/Herrfurth, 33. Ed. 01.04.2021 Rn. 16, GvKostG § 14 Rn. 16).

4. Bei Durchführung desselben Auftrags wird eine Gebühr nach derselben Nummer des Kostenverzeichnisses nur einmal erhoben (§ 10 Abs. 1 Satz 1 GvKostG). Von diesem Grundsatz macht unter anderem § 10 Abs. 2 Satz 1 GvKostG eine Ausnahme, wenn der Gerichtsvollzieher beauftragt ist, die gleiche Vollstreckungshandlung wiederholt vorzunehmen; dann sind die Gebühren für jede Vollstreckungshandlung gesondert zu erheben. Dies gilt jedoch nicht, wenn – wie vorliegend – der Gläubiger das Verfahren einstweilen eingestellt hat und nicht Wiederholung der gleichen Vollstreckungshandlung beauftragt, sondern nur die Fortsetzung der eingestellten Vollstreckungshandlung beantragt (AG Bühl, DGVZ 2018, 262 Rn. 8 ff.; Toussaint/Uhl, a.a.O., GvKostG § 10 Rn. 15). Wurde – wie im vorliegenden Fall die Gebühr nach KV Nr. 604·– infolge einer längeren, zulässigen Unterbrechung des Auftrages bereits Gebühren berechnet, sind diese auf die neue Kostenrechnung anzurechnen, sodass insgesamt nur eine Gebühr entsteht (BeckOK KostR/Herrfurth, 33. Ed. 01.04.2021, GvKostG § 10 Rn. 1). Entsprechend ist die Pauschale nach KV Nr. 716 für auftragsbezogene Auslagen anzurechnen, da sie nur einmal pro Auftrag anfällt (BeckOK KostR/Herrfurth, a.a.O., GvKostG § 3 Rn. 2; Zuhn/Richter, in: Winterstein, Gerichtsvollzieherkostenrecht, 26. Lieferung, Teil 2, § 3 S. 6). Daher ist auch hier eine entsprechende Anrechnung angezeigt.

III. Eine Kostenentscheidung ist nicht geboten, weil das Verfahren gebührenfrei ist, besondere Auslagen nicht entstanden sind und eine Kostenerstattung nicht stattfindet (§ 5 Abs. 2 Satz 2 GvKostG i.V.m. § 66 Abs. 8 GKG).

IV. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache wurde die Beschwerde zugelassen gem. § 5 Abs. 2 Satz 2 GvKostG i.V.m. § 66 Abs. 2 Satz 2 GKG.

Eingereicht von M. Sterk, Ass. jur., Bremer Inkasso GmbH, Bremen

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