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LG Ravensburg, JurBüro 2020, 162

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Landgericht Ravensburg, Beschl. v. 16.10.2019 – 6 T 44/19

Formularzwang / Forderungsaufstellung / Pfändung eines Pkw, Sicherstellung / Kostenvorschuss Weisungen des Gläubigers

Fundstelle: JurBüro 2020, 162
Thema: GVFV §§ 1, 2; ZPO § 808 Abs. 2; GVGA 107

  1. Eine Verrechnung von Teilzahlungen des Schuldners auf Kosten, Zinsen und Hauptforderung kann im Formular nicht nachvollziehbar dargestellt werden, so dass der Gläubiger für die Forderungsaufstellung vom Formularzwang entbunden ist.
  2. Der Gerichtsvollzieher kann nicht erzwingen, dass der zu pfändende Pkw von ihm in Besitz genommen wird, so dass der Gläubiger keinen Kostenvorschuss für die Sicherstellung zahlen muss. (L.d.R.)

Landgericht Ravensburg, Beschl. v. 16.10.2019 – 6 T 44/19

Aus den Gründen:

I. Die Gläubigerin betreibt aus einem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hagen vom 30.06.2017 wegen einer Gesamtforderung zum 08.03.2019 i.H.v. 6.696,75 € die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner. Sie erteilte dem Gerichtsvollzieher R. in Ravensburg am 08.03.2019 unter: Verwendung des Formulars nach § 1 Abs. 1 Ziffer 1 GVFV einen Vollstreckungsauftrag. Für die Forderungsaufstellung verwendete sie nicht das Formular Anlage 1 gem. § 1 Abs. 1 Ziffer 2 GVFV, sondern ein eigenes Formular einer Forderungsaufstellung.

Im Modul K 5 unter »Aufträge und Hinweise zur Pfändung und Verwertung« bat sie den Gerichtsvollzieher darum, die Pfändung so vorzunehmen, dass nur eine Siegelmarke am Fahrzeug angebracht und lediglich Schlüssel und KFZ-Brief abgenommen werden sollen. Von einem Abtransport des Fahrzeugs soll aus Kostengründen abgesehen werden und das Auto soll in Gewahrsam des Schuldners belassen werden.

Mit Schreiben vom 28.03.2019 beanstandete der Gerichtsvollzieher, dass die Forderungsaufstellung nicht auf Anlage 1GVFV §§ 1, 2; ZPO § 808 Abs. 2; GVGA 107 – JurBüro 2020 Ausgabe 3 – 163 GVFV eingereicht wurde. In einem weiteren Schreiben vom 28.03.2019 lehnte er die von der Gläubigerin beschriebene Vorgehensweise einer Pfändung ab und forderte einen Kostenvorschuss von 500,00 € da das Fahrzeug gesichert werden müsse. Die Gläubigerin legte gegen die Schreiben des Gerichtsvollziehers am 16.04.2019 Erinnerung ein. Diese wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Ravensburg vom 26.06.2019 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Gläubigerin vom 23.07.2019.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

1. Der Gerichtsvollzieher kann die Durchführung des Vollstreckungsauftrags vom 08.03.2019 nicht deshalb verweigern, weil die Gläubigerin nicht das Formular Anlage 1 zu GVFV verwendet hat.

Gem. § 1 GVFV wird für den Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher zur Vollstreckung von Geldforderungen das in der Anlage bestimmte Formular eingeführt. Das Formular besteht aus den folgenden Teilen:

1. Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher zur Vollstreckung von Geldforderungen,

2. Forderungsaufstellung (Anlage 1).

Gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 GVFV sind inhaltliche Abweichungen von dem Formular einschließlich der Anlagen 1 und 2 nicht zulässig. Gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 GVFV kann ein geeignetes Freitextfeld oder eine zusätzliche Anlage verwendet werden, soweit für den beabsichtigten Vollstreckungsauftrag in dem Formular keine zweckmäßige Möglichkeit zur Eintragung vorgesehen ist.

Darüber hinaus ist ein Antragsteller nach der Rechtsprechung des BGH vom Formularzwang entbunden, soweit das Formular unzutreffend, fehlerhaft oder missverständlich ist (BGH, Beschl. v. 26.09.2018 – VII ZB 56/16 m.w.N.).

Anders als in dem Fall, über den der BGH am 26.09.2018 zu entschieden hatte, ist im vorliegenden Fall die Forderungsaufstellung gemäß Anlage 1 zur GVFV nicht geeignet, sie erfasst den Fall der Gläubigerin nicht vollständig. Der Schuldner hat auf die titulierte Forderung zwei Teilzahlungen geleistet. In der Forderungsaufstellung Anlage 1 zur GVFV kann diese Situation nicht nachvollziehbar abgebildet werden. Eine Verrechnung von Teilleistungen auf Kosten, Zinsen und Hauptforderung kann in dem Formular nicht nachvollziehbar dargestellt werden. Eine Verwendung des Formulars würde deshalb dazu führen, dass die Forderungsaufstellung missverständlich im Sinne der Rechtsprechung des BGM wird.

2. Der Gerichtsvollzieher kann auch nicht erzwingen, dass der zu pfändende Pkw von ihm in Besitz genommen wird. Er kann deshalb die Durchführung des Auftrags nicht von einem Kostenvorschuss abhängig machen, der die Kosten einer Sicherstellung mit umfasst.

Der Gerichtsvollzieher ist grundsätzlich an Weisungen des Gläubigers gebunden, sofern diese nicht mit dem Gesetz oder der GVGA in Widerspruch stehen (Zöller/Seibel, ZPO, 32. Aufl., § 753 Rn. 4).

Gem. § 808 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind andere Sachen als Geld, Kostbarkeiten und Wertpapiere in Gewahrsam des Gläubigers zu belassen, sofern nicht hierdurch die Befriedigung des Gläubigers gefährdet wird. Gem. § 107 Abs. 1 GVGA wird bei der Pfändung eines Kraftfahrzeugs in der Regel davon auszugehen sein, dass die Befriedigung des Gläubigers gefährdet wird, wenn das Fahrzeug in Gewahrsam des Schuldners verbleibt. Der Gerichtsvollzieher nimmt das gepfändete Fahrzeug daher in Besitz, sofern nicht der Gläubiger damit einverstanden ist, dass es in Gewahrsam des Schuldners bleibt oder eine Wegnahme aus sonstigen Gründen ausnahmsweise nicht erforderlich erscheint.

Die Regelungen in § 808 ZPO und § 107 GVGA sehen gerade den Fall vor, dass ein Fahrzeug in Gewahrsam des Schuldners bleibt, wenn der Gläubiger damit einverstanden ist. Diese Regelungen bringen gerade zum Ausdruck, dass der Gläubiger darüber entscheiden und eine entsprechende Weisung an den Gerichtsvollzieher erteilen kann, dass das Fahrzeug nicht vom Gerichtsvollzieher in Besitz genommen werden soll. Es liegt in der Natur der Zwangsvollstreckung, dass auf den Schuldner Druck ausgeübt wird, nachdem er die titulierte Forderung freiwillig nicht erfüllt hat. Die Weisung der Gläubigerin ist deshalb zulässig (LG Verden, Beschl. v. 01.08.2018 – 6 T 146/14; LG Landau, Beschl. v. 15.12.2016 – 3 T 177/16; Baumbach/Lauterbach, ZPO, 76. Aufl., § 808 Rn. 18).

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Dem Schuldner können keine Kosten auferlegt werden, da er von dem Verfahren keine Kenntnis hatte und er sich daher nicht zur Sache äußern konnte (BGH, Beschl. v. 08.10.2015 – VII ZB 11/15).

Eingereicht von Sven Drumann, Prokurist der Bremer Inkasso GmbH, Bremen

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