AG Cuxhaven, JurBüro 2020, 443
AG Cuxhaven, Beschl. v. 09.05.2020 – 2h M 6018/19
Pfändungs- und Überweisungsbeschluss / pfändbarer Betrag / Berechnung von Bearbeitungskosten durch den Drittschuldner
Fundstelle: JurBüro 2020, 443
Thema: ZPO §§ 850c, 850c Abs. 4
Der Drittschuldner ist nach ordnungsgemäßer Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses verpflichtet, den pfändbaren Betrag gem. Tabelle Anlage zu § 850c an den Gläubiger auszukehren. Die Berechnung einer Bearbeitungsgebühr zu Lasten des pfändbaren Betrages und somit zu Lasten des Gläubigers ist nicht möglich. (L.d.R.)
Aus den Gründen:
Dem Antrag der Gläubigerin gem. § 850c Abs. 4 ZPO vom 25.11.2019 nebst Schreiben vom 13.01.2020 und 19.03.2020 ist aus ihren zutreffend dargelegten Gründen und Berechnungen – nebst zutreffend angeführter Rechtsprechung und Kommentierung hierzu – zu entsprechen.
Zur Vermeidung von Sachverhaltswiederholungen wird auf die oben genannten Unterlagen der Gläubigerin Bezug genommen.
Die mit der Bearbeitung von Lohn- und Gehaltspfändungen verbundenen Kosten der Arbeitgeberin (= Drittschuldnerin) – hier: 5,00 € je Überweisung an die Pfändungsgläubigerin – fallen ihr selbst zur Last.
Es gibt keine gesetzliche Grundlage, dass diese Kosten als Abzüge zu Lasten des pfändbaren Betrages erfolgen können.
Eingereicht von Sven Drumann, Prokurist der Bremer Inkasso GmbH, Bremen
Anmerkung:
Das Amtsgericht hat erfreulicherweise antragsgemäß entschieden und die Drittschuldnerin angewiesen, von der dort ausgeübten Praxis Abstand zu nehmen. Die Entscheidung basiert auf folgendem Sachverhalt:
Der pfändbare Betrag gem. Tabelle zu § 850c ZPO beträgt 64,29 € (Nettolohn 2.030,00 € bis 2.039,99 €, zwei unterhaltsberechtigte Personen). Die Drittschuldnerin führte jedoch lediglich 59,29 € an den erstrangigen Pfändungsgläubiger ab – die Differenz von 5,00 € deklarierte sie auf der Lohn- und Gehaltsabrechnung vom Vollstreckungsschuldner als »einbehaltene AG-Kosten«.
Der Gläubiger hielt dieses Vorgehen für rechtswidrig und begehrte eine gerichtliche Entscheidung, die die Drittschuldnerin anhält, den ungekürzten pfändbaren Betrag auszukehren.
Dagegen wandte die Arbeitgeberin als Drittschuldnerin ein, dass der Einbehalt im Arbeitsvertrag mit dem Vollstreckungsschuldner vorgesehen sei.
Das Vollstreckungsgericht erteilte diesem Argument zutreffend eine Absage: Ein Aufwendungsersatzanspruch des Drittschuldners ist (anders als etwa in Österreich, vgl. § 292h öEO) im Gesetz nicht vorgesehen; er erfüllt mit der Bearbeitung der Pfändung eine eigene gesetzliche Pflicht. Dies hat auch das BAG in seinem Urt. v. 18.07.2006 (1 AZR 578/05, NJW 2007, 1302) ausführlich begründet; der dortige Leitsatz lautet: »Die mit der Bearbeitung von Lohn- und Gehaltspfändungen verbundenen Kosten des Arbeitgebers fallen diesem selbst zur Last. Er hat weder einen gesetzlichen Erstattungsanspruch gegen den Arbeitnehmer noch kann ein solcher Anspruch durch (freiwillige) Betriebsvereinbarung begründet werden.«
Hier hatte der Arbeitgeber zwar versucht, im Arbeitsvertrag einen Ersatzanspruch zu vereinbaren. Jedenfalls (quasi »durch die Hintertür«) zulasten des Gläubigers durch einen Abzug vom jeweils pfändbaren Betrag ist dies nach der überzeugenden Entscheidung des AG Cuxhaven mit Blick auf die gesetzliche Lastenverteilung nicht möglich. Aber auch im Verhältnis zum Arbeitnehmer dürfte eine solche Regelung zumindest in Formularverträgen unwirksam sein (vgl. zu Bankverträgen BGH, Urt. v. 19.10.1999 – XI ZR 8/99, NJW 2000, 651). Das Amtsgericht hat den Drittschuldner also zu Recht in die Schranken gewiesen…
Sven Drumann, Bremen