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OLG Celle, 09.01.2018, 4 U 81/17

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Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 09.01.2018, 4 U 81/17

In dem Rechtsstreit

- SCHULDNER -
Beklagte und Berufungsklägerin

gegen

- GLÄUBIGER -
Kläger und Berufungsbeklagte

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle im schriftlichen Verfahren mit einer Erklärungsfrist bis zum 7. Dezember 2017 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Ziemert, den Richter am Oberlandesgericht Spamer und die Richterin am Landgericht Siemering für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 4. Mai 2017 wird das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits je zu einem Drittel zu tragen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern bleibt nachgelassen, die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird festgesetzt auf 26.677,28 €.

Gründe:

I.

Die Kläger begehren von der Beklagten als Drittschuldnerin die Zahlung der auf ihrem Girokonto eingegangenen Gehaltszahlungen ihres Ehemannes.

Wegen des weiteren Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (BI. 153 ff. d. A.) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 26.677,28 € nebst Zinsen verurteilt und zur Begründung ausgeführt, dass zwischen der Beklagten und ihrem Ehemann ein Auftragsverhältnis in Bezug auf dessen auf ihrem Girokonto eingehenden Gehaltszahlungen bestanden habe. Den aus dem Auftrag resultierenden Herausgabeanspruch des Ehemannes gegen die Beklagte hätten die Kläger mit dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Winsen/Luhe vom 11. Juni 2014 gepfändet und sich zur Einziehung überweisen lassen. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss sei auch wirksam gewesen, insbesondere habe er den Bestimmtheitsanforderungen genügt. Auch die übrigen Vollstreckungsvoraussetzungen seien erfüllt gewesen. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe auf ihrem Konto ein „Guthaben” in der jeweiligen Höhe bestanden; die von ihr vorgetragene Aufrechnung mit eigenen Unterhaltsansprüchen gegen ihren Ehemann verfange mangels deren Fälligkeit zum Zeitpunkt der Pfändung nicht. Schließlich stehe der Pfändung die Behauptung der Beklagten, die Arbeitseinkünfte ihres Ehemannes hätten sich unterhalb der Pfändungsfreigrenze bewegt, nicht entgegen, da sie sich als Drittschuldnerin auf Pfändungsverbote und -beschränkungen nicht berufen könne. Davon abgesehen sei der von der Beklagten angeführte Pfändungsschutz auch nur auf eigenen Konten des Schuldners zu gewähren und auch nur auf Pfändungsschutzkonten im Sinne des § 850k ZPO. Angesichts dessen sei auch die Regelung des’ § 765a ZPO hier nicht anwendbar.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.

Es fehle bereits an einem (pfändbaren) gegen sie gerichteten Herausgabeanspruch des Schuldners. Denn die auf ihrem Konto eingegangenen und eingehenden Gehaltszahlungen seien von den Eheleuten gemäß ihrer gemeinsamen Absprache vollständig für ihren ehelichen Lebensunterhalt verwendet worden; ein Auftrag zur Kontoführung seitens des Schuldners habe nicht bestanden. Entgegen der Feststellung des Landgerichts habe sie ihm das Konto daher nicht zur Ermöglichung des Bezugs von Arbeitseinkommen zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus habe ihr das auf ihrem Konto eingehende Geld jedenfalls im Rahmen der ehelichen Lebensführung zugestanden. Daher habe der Schuldner auch zumindest solange, wie die Kosten der Lebensführung nicht gedeckt gewesen seien, keine Forderung gegen sie gehabt. Die Vereinbarung der Sicherstellung des ehelichen Lebensunterhalts habe den wirtschaftlichen Verhältnissen entsprochen, da ihre eigenen Einkünfte zum Bestreiten des Familienunterhalts nicht ausgereicht hätten — diese hätten im Jahr 2014 4.200 €, im Jahr 2015 3.000 € und im Jahr 2016 rund 4.300 € betragen. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Eheleute sei angesichts dessen nicht ersichtlich.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 4. Mai 2017, Az.: 4 O 180/16, zugestellt am 11. Mai 2017, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil und heben ihre wiederholten vergeblichen Versuche hervor, ihre Forderungen gegen den Schuldner durchzusetzen; wegen der dahingehenden Einzelheiten wird auf ihren Schriftsatz vom 5. Oktober 2017, Seite 1 f. (BI. 204 f. d. A.) verwiesen. Ferner komme es auf die Motivation der Eheleute für die Verabredung der Nutzung nur des Kontos der Beklagten zur gemeinsamen Lebensführung nicht an, namentlich nicht; ob sie die Gläubigerbenachteiligung bezweckten oder anderweitig treuwidrig vorgingen. Maßgeblich sei vielmehr allein, dass der Schuldner der Beklagten jedenfalls einen Auftrag erteilt habe, ihr Konto für die Zahlungen seines Arbeitgebers zur Verfügung zu stellen und davon sodann die Kosten der Lebensführung zu begleichen. Damit seien die jeweiligen Gehaltszahlungen das durch die Geschäftsbesorgung „Erlangte”; was die Beklagte nach § 667 BGB an den Schuldner herauszugeben habe. Ihrer Aufrechnung mit dem eigenen „laufenden Unterhaltsanspruch” habe die Pfändung „entgegengestanden”. Die Beklagte habe daher eventuell die Möglichkeit der Kündigung des Auftragsverhältnisses gegenüber dem Schuldner nach § 671 BGB, könne sich aber nicht erfolgreich gegen die Pfändung wenden. Dement-sprechend gebe es eine gefestigte Rechtsprechung, in Fällen der Kontoleihe einen pfändbaren Auszahlungsanspruch anzunehmen. Schließlich sei der von der Beklagten angeführte Anspruch gegen den Schuldner auf Gewährung des Familienunterhalts weder dem Grunde nach noch der Höhe hinreichend dargelegt und auch nicht bewiesen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen sowie insbesondere wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst in Bezug genommener Anlagen sowie den gesamten übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg, denn die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die Klage des Pfändungsgläubigers gegen den Drittschuldner ist begründet, wenn der Anspruch des Schuldners gegen den Drittschuldner besteht und dem Gläubiger wirksam überwiesen wurde. Für das Vorliegen dieser beiden Voraussetzungen ist der Gläubiger beweispflichtig, soweit nicht der Beweis des ersten Anscheins oder andere Beweiserleichterungen für ihn sprechen (BeckOK ZPO/Riedel ZPO, § 835 Rn. 20-20.1, beck-online).

Die gepfändeten Ansprüche des Schuldners gegen die Beklagte bestehen nicht. Der Schuldner hat keinen Anspruch auf Auszahlung von Kontoguthaben gegen die Beklägte.

1. Es ist nicht festzustellen, dass der Schuldner gegen die Beklagte in der
hier geltend gemachten Höhe einen Anspruch auf Herausgabe aus § 667 BGB oder aufgrund einer unentgeltlichen Geschäftsbesorgung hatte (oder hat), den die Kläger hätten pfänden können.

a) Nach § 667 BGB ist der Beauftragte verpflichtet, dem Auftraggeber alles, was er zur Ausführung des Auftrags erhält und was er aus der Geschäftsbesor-gung erlangt, herauszugeben. Dass der Schuldner und die Beklagte ein solches Auftragsverhältnis vereinbart hatten, steht nicht fest. Anders als in den vom Landgericht und auch den Klägern zitierten Fällen der „Kontoleihe” fehlt es vorliegend an der insoweit erforderlichen Verpflichtung der Beklagten gegenüber dem Schuldner, ihm das auf ihren Namen laufende Konto für eigene Zwecke des Schuldners zur Verfügung zu stellen und ihm das für ihn eingegangene Geld auszuzahlen/herauszugeben. Vielmehr kam der Schuldner mithilfe dieser Vereinbarung seiner auf § 1360 BGB beruhenden gesetzlichen Verpflichtung nach, zum Familienunterhalt beizutragen. Gemäß § 1360 Satz 1 BGB sind die Ehegatten einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Dieser wechselseitige Anspruch unter Ehegatten dient der Befriedigung des Bedarfs des gesamten Familienverbandes (vgl. Palandt-Brudermüller, BGB, 77. Aufl., 2018, § 1360 Rn. 2,8). Gemäß der weitergehenden Absprache zwischen den Eheleuten verwaltete und verwandte die Beklagte das eingegangene Geld des Schuldners gemeinsam mit ihren eigenen Einkünften als Gesamtfamilieneinkommen zur ehelichen Lebensführung. Dass die Eheleute diese Vereinbarung getroffen haben, steht zwischen den Parteien nicht im Streit, die Kläger werten die Absprache und den Überweisungsvorgang nur rechtlich anders, wenn sie meinen, der Schuldner habe einen Herausgabeanspruch gegen die Beklagte, gegenüber dem diese wiederum mit ihren (eigenen) Unterhaltsansprüchen aufrechnen müsse.

b) Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit dieser Vereinbarung, etwa weil sie aufgrund einer Benachteiligung der Kläger als Gläubiger des Ehemannes gegen die guten Sitten im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB verstieße, ergeben sich nicht. Angesichts der Pflicht des Schuldners, zum Familienunterhalt beizutragen, und in Anbetracht der — nur geringen — Höhe des Gehalts sowohl des Schuldners als auch der Beklagten ist nicht ersichtlich, dass das streitbefangene Gehalt für das Bestreiten des gemeinsamen Lebensunterhalts nicht erforderlich gewesen sei. Das Maß des Familienunterhalts bestimmt sich nach den ehelichen Verhältnissen, wofür die Regelung des § 1578 BGB als Orientierungshilfe herangezogen wird (vgl. Palandt-Brudermüller, aa0, § 1360a Rn. 8). Die Art und Weise des zu leistenden Unterhalts hängt dabei davon ab, wie die Ehegatten ihre Ehe ausgestaltet haben (vgl. zu den Einzelheiten, wie beispielsweise bei der „Haushaltsführungsehe” oder der „Doppelverdienerehe”, Palandt-Brudermüller, aa0, § 1360 Rn. 9 ff.). Mangels anderweitiger Anhaltspunkte ist vorliegend aufgrund des nur geringen Einkommens des Schuldners (628,09 € bis 1.345,77 € pro Monat) davon auszugehen, dass dieser Betrag jeweils seinem Anteil an der Gewährleistung des Familienunterhalts entsprach. Zugrunde zu legen ist insoweit bei einem 2-Personen-Haushalt ein gemeinschaftlicher Bedarf von (mindestens) 2.000 €. Diesen Betrag sieht der Senat nach der allgemeinen Lebenserfahrung und den üblichen Lebenshaltungskosten als angemessenen Mindestbetrag zur Deckung des Familienunterhalts an. Da nicht ersichtlich ist, dass die Beklagte derartig hohe Einkünfte erzielte, dass das Gehalt des Schuldners zum Bestreiten des Familienunterhalts nicht oder nicht mehr in vollem Umfang erforderlich war, ist davon auszugehen, dass das gesamte Gehalt des Schuldners für die Gewährleistung des Familienunterhalts benötigt wurde und als sein angemessener Anteil einfloss. Davon abgesehen hätten höhere Einkünfte der Beklagten aber gleichzeitig auch eine Anhebung des Maßes des Familienunterhalts mit sich gebracht (entsprechend dem nach § 1578 BGB zu ermittelnden Bedarf). Danach wäre auch bei höheren Einkünften der Beklagten zunächst davon auszugehen gewesen, dass das gesamte Gehalt des Schuldners — entsprechend seiner Verpflichtung, zum Familienunterhalt beizutragen — in den (dann) angemessenen Familienunterhalt geflossen wäre. Denn auch bei Annahme höherer Einkünfte der Beklagten wäre der Schuldner nicht berechtigt gewesen, den durch seine Tätigkeiten erworbenen Verdienst für sich zu behalten (vgl, BGH, Urteil vom 2. April 1974 — VI ZR 130/73, juris, Rn. 12).

c) Auch der Einwand der Kläger, die Beklagte habe gegen den Schuldner keinen Unterhaltsanspruch, da der ihr zustehende, nach der Zwickauer Formel errechnete Betrag durch ihr eigenes Einkommen gedeckt sei, verfängt nicht. Denn die von den Klägern angeführte Entscheidung des Amtsgerichts Oranienburg (Beschluss vom 8. Januar 2015 — 91 M 712/14, juris) befasst sich mit der Frage der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens und der Berücksichtigung von Einkünften des Ehegatten im Rahmen des § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO, so dass die zugrundeliegenden Sachverhalte schon nicht vergleichbar sind. Vorliegend geht es nämlich gerade nicht um die Berechnung des un-pfändbaren Teils des Arbeitseinkommens des Schuldners, sondern ,um den grundsätzlich wechselseitigen Anspruch unter Ehegatten nach § 1360 BGB, dessen Erfüllung die streitbefangene Vereinbarung zwischen dem Schuldner und der Beklagten dient. Nach alledem kam es schließlich auch auf die — von den Klägern in Abrede genommenen — seitens der Beklagten dargestellten Ausgaben zur Verwendung des Lebensunterhalts im Einzelnen nicht an.

2. Letztlich greift die seitens der Kläger geäußerte Ansicht, die Beklagte
könne auf dieses Familieneinkommen erst — durch eine Aufrechnungserklärung zugreifen, welcher die Pfändung der Kläger zuvorgekommen sei, ebenfalls nicht durch. Denn der Anspruch auf Gewährung des Familienunterhalts besteht gemäß § 1360a Abs. 2 BGB im Voraus und wurde daher bereits vor der Pfändung erfüllt, nämlich mit der Absprache zwischen den Eheleuten hinsichtlich der Veranlassung der Gehaltsüberweisung auf das Konto der Beklagten.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 100 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Ein Anlass für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO besteht nicht.

Ziemert Spamer Siemering

Vorinstanz:
- Landgericht Lüneburg, 04.05.2017, 4 O 180/16

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