LG Verden, JurBüro 2021, 271
LG Verden, Beschl. v. 11.01.2021 – 6 T 125/20
Voraussetzungen für die Einholung von isolierten Drittauskünften
Fundstelle: JurBüro 2021, 271
Thema: ZPO § 802l
Ein Folgegläubiger ist bereits dann berechtigt, eine Drittauskunft zu beantragen, wenn er darlegen kann, dass der Schuldner gegenüber einem anderen Gläubiger seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachgekommen ist. Einer weitergehenden Darlegung, dahingehend, dass auch die vollständige Befriedigung des Folgegläubigers voraussichtlich nicht zu erwarten ist, bedarf es nicht. (L.d.R.)
Aus den Gründen:
I. Der Beschwerdeführer und Gläubiger (im Folgenden: Gläubiger) betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen rückständiger Forderungen.
Der Gläubiger beauftragte den Obergerichtsvollzieher am 09.01.2020 gem. § 802l Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO damit, das Bundezentralamt für Steuern zu ersuchen, bei den Kreditinstituten die in § 93b Abs. 1 der Abgabenordnung bezeichneten Daten abzurufen. Zur Begründung des Antrags führte der Gläubiger aus, dass der Schuldner in einer anderen Sache die Vermögensauskunft verweigert habe. Als Beleg reichte der Gläubiger eine »Infoscore-Auskunft« der infoscore Consumer Data GmbH (ICD) sowie eine Merkmalserläuterung ein. Die ICD ist ein Auskunfteiunternehmen. Sie speichert Daten zum Zweck der Erteilung von (Bonitäts-) Auskünften. Die personenbezogenen Daten stammen nach eigener Auskunft aus den amtlichen Insolvenzveröffentlichungen sowie den Schuldnerverzeichnissen, die bei den Amtsgerichten geführt werden. Dazu kommen nach eigener Auskunft objektive Informationen der Vertragspartner der ICD über vertragswidriges Zahlungsverhalten und aus gerichtlichen sowie außergerichtlichen lnkassomaßnahmen.
Der Obergerichtsvollzieher lehnte den Antrag des Gläubigers ab. Zur Begründung führte er aus, dass die Voraussetzungen einer isolierten Auskunft nach § 802l ZPO nicht vorliegen würden. Eine isolierte Auskunft sei nicht zulässig, wenn der Folgegläubiger unter Berufung auf eine Eintragung im Schuldnerverzeichnis nur darlegen könne, dass der Schuldner gegenüber einem anderen Gläubiger seine Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht erfüllt habe. Der Obergerichtsvollzieher ist der Ansicht, dass er den isolierten Antrag eines Folgegläubigers auf Erhebung einer Drittauskunft nur dann befolgen müsse, wenn der Folgegläubiger aufgrund einer anderweitig erteilten Vermögensauskunft konkret darlegen könne, dass auch seine vollständige Befriedigung voraussichtlich nicht zu erwarten sei. Dazu müsse er entweder den Inhalt des schon vorliegenden Vermögensverzeichnisses vortragen. Oder der Gläubiger müsse darlegen, dass seine Vollstreckungsforderung mindestens genauso hoch sei wie diejenige des vorangegangenen Gläubigers, der die Eintragung des Schuldners im Schuldnerverzeichnis aus dem in § 802l Abs. 1 Satz 1, Nr. 2 ZPO genannten Grunde erwirkt habe.
Dagegen legte der Gläubiger mit Schreiben vom 10.09.2020 Erinnerung ein.
Das Amtsgericht Diepholz hat die Erinnerung mit Beschluss vom 05.11.2020 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Gläubiger seiner Darlegungspflicht nicht nagekommen sei. Die vorgelegte »InfoScore-Auskunft« sei nicht mit dem Schuldnerverzeichnis vergleichbar, da nicht erkennbar sei, welcher der Anordnungsgründe des § 882c Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgelegen habe.
Gegen diesen am 13.11.2020 zugestellten Beschluss, legte der Gläubiger mit Schreiben vom 27.11.2020, eingegangen beim Amtsgericht Diepholz am selben Tag, sofortige Beschwerde ein.
Das Amtsgericht Diepholz hat der sofortigen Beschwerde des Schuldners nicht abgeholfen und die Akte dem Landgericht Verden durch Beschluss vom 30.11.2020 vorgelegt.
II. Die gem. §§ 793, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Gläubigers ist begründet.
1. Gem. § 802l Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO darf der Gerichtsvollzieher, wenn der Schuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachkommt oder bei einer Vollstreckung in die dort aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung des Gläubigers voraussichtlich nicht zu erwarten ist, das Bundeszentralamt für Steuern ersuchen, bei den Kreditinstituten die in § 93b Abs. 1 der Abgabenordnung bezeichneten Daten abzurufen.
Entgegen der Ansicht des Gerichtsvollziehers, ist der Folgegläubiger bereits dann berechtigt, eine Drittauskunft zu beantragen, wenn er darlegen kann, dass der Schuldner gegenüber einem anderen Gläubiger seine Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht erfüllt hat. Einer weitergehenden Darlegung dahingehend, dass auch die vollständige Befriedigung des Folgegläubigers voraussichtlich nicht zu erwarten sei, bedarf es nicht. Der Gläubiger, der gem. § 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO den Vollstreckungsauftrag erteilt, gem. § 802l ZPO Auskünfte Dritter über das Vermögen des Schuldners einzuholen, muss nicht selbst gem. § 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO einen eigenen Antrag gestellt haben, eine Vermögensauskunft des Schuldners gem. § 802c ZPO einzuholen (BGH, Beschl. v. 16.05.2019 – 1 ZB 79/18, Rn. 8).
Dem Gläubiger obliegt es dabei, darzulegen, dass die Voraussetzungen des § 802l Abs. 1 ZPO vorliegen. Denn im Zwangsvollstreckungsverfahren ist der Tatsachenstoff nach den allgemeinen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast von den Parteien beizubringen und gegebenenfalls zu beweisen. Eine Glaubhaftmachung genügt dagegen nicht, weil das Gesetz sie nicht ausdrücklich genügen lässt. Es obliegt deshalb dem Gläubiger, zu den Voraussetzungen einer beantragten Vollstreckungsmaßnahme vorzutragen. Umgekehrt ist es grundsätzlich Sache des Schuldners, Einwendungen vorzubringen, die eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme unzulässig machen. Weder das Vollstreckungsgericht noch der Gerichtsvollzieher sind zu weiteren Nachforschungen verpflichtet (BGH, Beschl. v. 16.05.2019 – I ZB 79/18, Rn. 13).
Von diesen Grundsätzen ist das Amtsgericht auch zu Recht ausgegangen. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts hat der Gläubiger vorliegend jedoch seiner Darlegungslast ausreichend genügt. Denn er hat unter Bezugnahme auf die »InfoScore-Auskunft« in Kombination mit der vorgelegten Merkmalserläuterung dargelegt, dass und an welchem Tag der Schuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachgekommen ist. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ist aus der »InfoScore- Auskunft« unter Heranziehung der Merkmalserläuterung auch erkennbar, dass der Anordnungsgrund des § 882c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO vorgelegen hat. Damit sind die Voraussetzungen des § 802l Abs. 1 Satz 1 ZPO ausreichend dargelegt. Ein weiterer Nachweis oder Beleg ist nicht erforderlich. Insbesondere bedarf es nicht notwendigerweise einer originalen Auskunft aus dem Schuldnerverzeichnisses, da die personenbezogenen Daten aus der »InfoScore-Auskunft« aus den amtlichen Insolvenzveröffentlichungen sowie den Schuldnerverzeichnissen, die bei den Amtsgerichten geführt werden, stammen.
III. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst. Da es sich bei der Eintragungsanordnung nicht um ein kontradiktorisches Verfahren handelt, ist eine Kostenentscheidung mangels gesetzlicher Grundlage nicht zu treffen LG Stuttgart, Beschl. v. 12.03.2020 – 19 T 364/19). Für eine Kostenentscheidung nach § 91 ZPO ist kein Raum. Der Schuldner ist nicht Partei des Verfahrens über die Erinnerung des Gläubigers nach § 766 Abs. 2 ZPO und auch nicht des darauf folgenden Beschwerdeverfahrens des Gläubigers.
Die Rechtsbeschwerde gem. § 574 Abs. 2 Nr. 1 oder 2, Abs. 3 Satz 1 ZPO war nicht zuzulassen, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes erfordert und ein typischer Einzelfall gegeben ist.
Eingereicht von Sven Drumann, Prokurist der Bremer Inkasso GmbH, Bremen