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BGH, 22.01.2015, I ZB 77/14

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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.01.2015, I ZB 77/14

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss des Landgerichts Regensburg – 7. Zivilkammer – vom 30. Juni 2014 aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

3. Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 2.000 € festgesetzt.

Gründe

I. Mit Schreiben vom 17. Januar 2013 beantragte die Gläubigerin, dass der Schuldner gemäß § 802c ZPO Auskunft über sein Vermögen erteilt. Zugleich stellte sie den Antrag, Auskünfte nach § 802l ZPO einzuholen, falls der Schuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachkomme oder die Vollstreckung der in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Gläubigerin nicht erwarten lasse.

Der Schuldner erteilte die Vermögensauskunft am 13. März 2013 und gab an, vermögenslos zu sein, insbesondere keine eigenen Fahrzeuge und kein Arbeitseinkommen zu haben; er lebe von Arbeitslosengeld II und sein Girokonto bei der Sparkasse Regensburg weise einen Kontostand von ungefähr 5 € auf. Drittauskünfte nach § 802l ZPO holte der Gerichtsvollzieher nicht ein.

Unter dem 27. Januar 2014 beantragte die Gläubigerin, die Auskünfte nach § 802l ZPO zu erheben. Diesen Antrag lehnte der Gerichtsvollzieher mit der Begründung ab, der Schuldner habe am 13. März 2013 alle erforderlichen Angaben gemacht und es seien bereits mehrere Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse aufgrund dieser Angaben beantragt, erlassen und zugestellt worden. Die beantragten Drittstellenauskünfte seien nicht eingeholt worden, da die Vermögensauskunft des Schuldners entsprechende Angaben enthalte. Durch die Drittstellenauskünfte seien keine neuen Erkenntnisse zu erwarten.

Die dagegen gerichtete Erinnerung der Gläubigerin hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Die von der Gläubigerin eingelegte sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihr Begehren auf Einholung von Drittauskünften weiter.

II. Das Beschwerdegericht hat angenommen, der Gerichtsvollzieher habe die Einholung von Drittauskünften nach § 802l ZPO zu Recht abgelehnt, weil sie zur Vollstreckung nicht erforderlich sei. Der Gerichtsvollzieher habe Drittauskünfte nach Abgabe einer Vermögensauskunft durch den Schuldner nur zu erheben, wenn Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die Vermögensauskunft unvollständige oder unzutreffende Angaben enthalte und durch die Drittauskünfte neue verwertbare Erkenntnisse für die Vollstreckung zu erwarten seien. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des § 802l Abs. 1 Satz 2 ZPO, wonach Drittauskünfte nur eingeholt werden dürften, wenn dies zur Vollstreckung erforderlich sei.

III. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie ebenfalls Erfolg. Das Beschwerdegericht hat zu Unrecht angenommen, Drittauskünfte gemäß § 802l ZPO seien nach Abgabe einer Vermögensauskunft nur einzuholen, wenn Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Schuldner unvollständige oder unzutreffende Angaben gemacht habe und durch die Drittauskünfte neue Erkenntnisse zu erwarten seien.

1. Nach § 802l Abs. 1 ZPO darf der Gerichtsvollzieher die in dieser Vorschrift näher bezeichneten Drittauskünfte erheben, wenn der Schuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachkommt oder bei einer Vollstreckung in die dort aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung des Gläubigers voraussichtlich nicht zu erwarten ist, die Erhebung der Auskunft zur Vollstreckung erforderlich ist und die zu vollstreckenden Ansprüche mindestens 500 € betragen.

2. Es ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob die Einholung von Drittauskünften nach § 802l ZPO nur im Sinne des § 802l Abs. 1 Satz 2 ZPO erforderlich und deshalb zulässig ist, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Schuldner unvollständige oder unzutreffende Angaben gemacht hat und durch die Drittauskünfte neue Erkenntnisse zu erwarten sind.

a) Von einer Ansicht, der sich das Beschwerdegericht angeschlossen hat, wird das Vorliegen dieser Voraussetzungen für die Einholung von Drittauskünften nach § 802l ZPO für notwendig erachtet (vgl. LG Nürnberg-Fürth, DGVZ 2013, 243; MünchKomm.ZPO/Wagner, 4. Aufl., § 802l Rn. 15 f.). Nach der Systematik der §§ 802c ff. ZPO sei die Selbstauskunft des Schuldners gegenüber der Drittauskunft vorrangig. Sei die Selbstauskunft richtig, könne eine Fremdauskunft keine neuen Erkenntnisse vermitteln. Um Drittauskünfte einzuholen, müssten deshalb Anhaltspunkte für weitere Vermögenswerte oder für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Selbstauskunft bestehen. Die Mehrzahl der Vermögensverzeichnisse enthalte richtige Angaben und erweise sich nur deshalb als unergiebig für den Gläubiger, weil keine pfändbaren Vermögenswerte vorhanden seien. Würde eine solche Unergiebigkeit der Selbstauskunft ohne weitere Prüfung ihrer Richtigkeit schon für sich allein für die Einholung von Drittauskünften ausreichen, führe dies zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Schuldners, der eine vollständige Auskunft erteilt habe. § 802l ZPO diene in erster Linie der Abwehr missbräuchlichen Verhaltens des Schuldners. Dann bedürfe es aber zumindest gewisser Anhaltspunkte dafür, dass ein solcher Missbrauch überhaupt im Raum stehe.

b) Nach anderer Auffassung sind Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Auskunft des Schuldners keine Voraussetzung für die Einholung einer Drittauskunft nach § 802l ZPO (vgl. LG Magdeburg, DGVZ 2014, 224; Voit in Musielak, ZPO, 12. Aufl., § 802l Rn. 7; Fleck in Vorwerk/Wolf, Beck’scher Online-Kommentar ZPO, Stand 15. September 2014 Rn. 4; Hk-ZPO/Kemper § 802l Rn. 4). Eine derartige Einschränkung des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift lasse sich weder dem Gesetz noch den Gesetzesmaterialien entnehmen. Da der Gläubiger in der Regel über keine Informationen verfüge, um die Vollständigkeit oder Richtigkeit der vom Schuldner abgegebenen Vermögensauskunft zu beurteilen, sei ein Erfordernis, entsprechende Anhaltspunkte vorzutragen, mit dem gesetzgeberischen Ziel unvereinbar, bisher bestehende Unzulänglichkeiten der Informationsgewinnung für den Gläubiger zu beseitigen.

3. Der Senat schließt sich der zweiten Auffassung an.

a) Zweck des § 802l ZPO ist es, die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung für den Gläubiger durch die ergänzende Einholung von Fremdauskünften wirkungsvoll zu stärken. Dadurch kann der Gläubiger Unrichtigkeiten der vom Schuldner in der Vermögensauskunft abgegebenen Selbstauskunft aufdecken (vgl. Voit in Musielak aaO § 802l Rn. 4). Dabei sollen die Belange des Schuldners, insbesondere sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung, und die Notwendigkeit, dem Gläubiger eine effektive Rechtsdurchsetzung zu ermöglichen, zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden. Deshalb wurde die Einholung von Fremdauskünften nur für Forderungen von mindestens 500 € zugelassen (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13432, S. 2). Andererseits sollte die Effektivität der Zwangsvollstreckung dadurch erhöht werden, dass der Gläubiger die Vermögenssituation des Schuldners überprüfen kann, wenn eine Vollstreckung in die im Vermögensverzeichnis aufgeführten Vermögensgegenstände voraussichtlich nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers führt (Gesetzentwurf des Bundesrates, BT-Drucks. 16/10069, S. 31 f.).

b) Dieser mit § 802l ZPO verfolgte Zweck könnte nicht erreicht werden, wenn Drittauskünfte nach einer für die Vollstreckung unergiebigen Vermögensauskunft des Schuldners nur eingeholt werden können, wenn Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Vermögensauskunft bestehen. In aller Regel wird der Gläubiger über keine Möglichkeiten verfügen, die Richtigkeit und Vollständigkeit der Vermögensauskunft zu überprüfen. Dementsprechend bestand für den Schuldner vor Inkrafttreten des § 802l ZPO nur eine geringe Gefahr, dass falsche Angaben über sein Vermögen aufgedeckt wurden (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses aaO S. 41).

c) Für die Vorschrift des § 802l ZPO verbliebe kaum ein Anwendungsbereich, wenn die Einholung von Drittauskünften an Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Vermögensauskunft geknüpft würde. Liegen solche Anhaltspunkte vor, besteht schon ein Anspruch auf Ergänzung oder Nachbesserung der Selbstauskunft (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2012 – I ZB 2/11, MDR 2012, 606 Rn. 20). Eine Verbesserung der Effektivität der Zwangsvollstreckung wäre mit einer derart beschränkten Pflicht zur Drittauskunft nicht verbunden.

d) Ein Erfordernis, Drittauskünfte nur bei Anhaltspunkten für unzutreffende oder unvollständige Angaben einzuholen, ergibt sich entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts nicht daraus, dass der Gesetzentwurf des Bundesrates im weiteren Gesetzgebungsverfahren in § 802l Abs. 1 Satz 2 ZPO um den Zusatz “soweit dies zur Vollstreckung erforderlich ist” ergänzt worden ist.

aa) Nach dem Bericht des Rechtsausschusses sollte diese Ergänzung dazu dienen, einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht des Schuldners auf informationelle Selbstbestimmung zu vermeiden, indem das Auskunftsrecht auf Fälle beschränkt werden sollte, in denen durch die zusätzlichen Informationen verwertbare Erkenntnisse für die Vollstreckung zu erwarten sind (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses aaO S. 45).

bb) Diese Aussage des Rechtsausschusses ist nicht isoliert, sondern nur in ihrem Gesamtzusammenhang und vor dem Hintergrund des Zwecks der Neuregelung zu verstehen, eine effektivere Informationsbeschaffung für den Gläubiger zu gewährleisten (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses aaO S. 1). Danach ist die Überprüfung der Angaben in der Vermögensauskunft durch Drittauskünfte so lange erforderlich, wie nicht aus den Angaben des Schuldners oder anderen offensichtlichen Umständen deutlich wird, dass die Drittauskünfte keine Erkenntnisse für die Zwangsvollstreckung des Gläubigers erbringen können. Dementsprechend ist das Beispiel mangelnder Erforderlichkeit, das der Rechtsausschuss anführt, die Erhebung von Auskünften über versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse bei Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 802l Abs. 1 Nr. 1 ZPO), wenn aus den Angaben des Schuldners folgt, dass neben einem bereits angegebenen Beschäftigungsverhältnis schon aus zeitlichen Gründen kein weiteres sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis mit ihm bestehen kann (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses aaO S. 45). Ebenso wird eine Abfrage von Fahrzeug- und Halterdaten beim Kraftfahrzeug-Bundesamt nur im Ausnahmefall erforderlich sein, wenn feststeht, dass der Schuldner keine Fahrerlaubnis hat.

e) In zeitlicher Hinsicht ist zu beachten, dass die Drittauskunft gemäß § 802l ZPO nach erteilter Vermögensauskunft dazu dient, die Angaben des Schuldners auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen. Es handelt sich nicht um einen selbständigen Auskunftsanspruch. Wurden die Drittauskünfte nach einer Vermögensauskunft eingeholt, so ist eine erneute Drittauskunft erst erforderlich, wenn der Gläubiger konkrete Anhaltspunkte für eine wesentliche Veränderung der Vermögensverhältnisse des Schuldners glaubhaft macht (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 802l Rn. 10) oder wenn der Schuldner eine erneute Vermögensauskunft (§ 802d ZPO) abgegeben hat.

f) Ergibt sich die Unnötigkeit einer Drittauskunft indes nicht bereits aus der Vermögensauskunft des Schuldners oder dem Zeitpunkt des Antrags nach § 802l ZPO, so ist die Einholung von Drittauskünften zur Bekämpfung der immanenten Missbrauchsgefahren bei der Selbstauskunft und zur effektiven Durchsetzung der berechtigten Forderungen des Gläubigers erforderlich (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses aaO S. 41). Die Bestimmung des § 802l ZPO steigert die Effektivität der Zwangsvollstreckung, indem sie die Bereitschaft des Schuldners zu wahrheitsgemäßen Angaben in der Vermögensauskunft fördert. Muss grundsätzlich jeder, der eine Vermögensauskunft abgibt, damit rechnen, dass Drittauskünfte eingeholt und Kontenabfragen durchgeführt werden, erhöht sich für den Schuldner das Risiko einer Aufdeckung unrichtiger oder unvollständiger Angaben in der Vermögensauskunft erheblich. Damit erweist sich eine Einholung von Drittauskünften nur als wirksames Instrument zur Aufdeckung von Missbrauchsfällen, wenn sie nicht an die Voraussetzung konkreter Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Vermögensauskunft gekoppelt ist (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses aaO S. 41). Demgegenüber wären für den Gläubiger die Anforderungen an eine Drittauskunft auf der Grundlage der auch vom Beschwerdegericht vertretenen Meinung nur sehr schwer zu erfüllen und auf Ausnahmefälle beschränkt, was mit Sinn und Zweck der gesetzlichen Bestimmung nicht zu vereinbaren ist.

g) Verfassungsrechtlich ist es nicht geboten, Drittauskünfte nach Abgabe einer Vermögensauskunft nur einzuholen, wenn Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Schuldners bestehen. Eine solche Einschränkung ergibt sich nicht aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Recht des Schuldners auf informationelle Selbstbestimmung.

aa) § 802l ZPO trägt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dadurch Rechnung, dass die zu vollstreckenden Ansprüche mindestens 500 € betragen müssen und dass die Einholung der Drittauskünfte in dem oben (Rn. 15-20) dargestellten Sinne zur Vollstreckung erforderlich ist, weil sich ihre Unnötigkeit nicht bereits aus der erteilten Vermögensauskunft oder anderen offensichtlichen Umständen deutlich ergibt. Weitergehende Anforderungen, die bei der Auslegung des § 802l ZPO zu beachten wären, ergeben sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgebot nicht.

bb) Die Drittauskunft gemäß § 802l ZPO ist geeignet, erforderlich und angemessen, um legitime Zwecke des Gläubigerschutzes und einer effizienten Zwangsvollstreckung zu verwirklichen (vgl. Gesetzentwurf des Bundesrats, BT-Drucks. 16/10069, S. 32).

(1) Die Grundrechte des Gläubigers auf Schutz des Eigentums (Art. 14 GG) und effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) verpflichten den Staat dazu, effektive Mittel zur Durchsetzung titulierter Forderungen bereitzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 2007 – I ZB 104/06, NJW 2008, 1000 Rn. 8; Beschluss vom 9. Oktober 2013 – I ZB 15/13, NJW 2014, 2288 Rn. 25). Die zwangsweise Durchsetzung titulierter Forderungen liegt zudem im Interesse der Allgemeinheit (vgl. Gesetzentwurf des Bundesrats, BT-Drucks. 16/10069, S. 32; MünchKomm.ZPO/Wagner aaO § 802l Rn. 9).

Zum Schutz dieser berechtigten Interessen der Gläubiger und der Öffentlichkeit ist die Drittauskunft nach § 802l ZPO ein geeignetes Mittel (vgl. Voit in Musielak aaO § 802l Rn. 7).

(2) Die Drittauskunft nach § 802l ZPO ist in den dargestellten Grenzen (vgl. oben Rn. 15-20) erforderlich, um die mit ihr bezweckten Ziele zu erreichen. Ein milderes, gleich wirksames Mittel für die Verwirklichung des Gesetzeszwecks, einen Schuldner ohne größeren Aufwand zu richtigen und vollständigen Vermögensangaben anzuhalten und diese Angaben zu überprüfen, ist nicht ersichtlich.

(3) Die Drittauskunft nach § 802l ZPO ist im Hinblick auf die mit ihr verfolgten legitimen Zwecke angemessen.

Die Vorschrift des § 802l ZPO greift allerdings in das Recht des Schuldners auf informationelle Selbstbestimmung ein.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht trägt in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung Gefährdungen und Verletzungen der Persönlichkeit Rechnung, die sich für den Einzelnen aus informationsbezogenen Maßnahmen, insbesondere unter den Bedingungen moderner Datenverarbeitung, ergeben. Es gibt dem Einzelnen die Befugnis, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2007 – 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168 Rn. 86 mwN).

Die in § 802l ZPO geregelten Auskunftsrechte des Gerichtsvollziehers greifen in das Recht des Schuldners auf informationelle Selbstbestimmung ein. Bei den nach dieser Vorschrift von den genannten Behörden und Rentenversicherungsträgern zu erfragenden Daten über den Namen oder die Firma des derzeitigen Arbeitgebers, über das Bestehen von Konten und Depots sowie über die beim Kraftfahrt-Bundesamt erfassten Fahrzeug- und Halterdaten nach § 33 Abs. 1 StVG handelt es sich um Informationen, die für den Persönlichkeitsschutz des Schuldners bedeutsam und nicht allgemein frei zugänglich sind.

§ 802l ZPO wahrt das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Die Vorschrift ermächtigt zu keinen Eingriffen in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, die außer Verhältnis zu dem mit ihr verfolgten legitimen Zweck stehen, die Gläubigerrechte in der Zwangsvollstreckung zu stärken.

Die Einholung der Drittauskünfte bezieht sich ausschließlich auf Daten, zu deren Angabe der Schuldner bereits zuvor in der Vermögensauskunft nach § 802c ZPO verpflichtet war und deren Richtigkeit er durch eidesstattliche Versicherung bestätigt hat. Neue Informationen für den Gläubiger können sich durch die Fremdabfrage nur ergeben, wenn der Schuldner die entsprechenden Daten trotz der Strafandrohung des § 156 StGB verschwiegen hat (vgl. MünchKomm.ZPO/Wagner aaO § 802l Rn. 8). Geht die Drittauskunft aber nicht über den notwendigen Inhalt der Selbstauskunft hinaus, wiegt der damit verbundene, eigenständige Eingriff in das Recht des Schuldners auf informationelle Selbstbestimmung nicht besonders schwer. In diesem Sinne ist auch die Aussage des Rechtsausschusses zu verstehen, der Schuldner habe es durch wahrheitsgemäße und vollständige Angaben selbst in der Hand, den Grundrechtseingriff abzuwehren (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses aaO S. 41). Auch wenn die Auskunft wahr und vollständig ist, ist es nicht als unverhältnismäßiger Grundrechtseingriff anzusehen, wenn ihre Richtigkeit durch zur Verschwiegenheit verpflichtete Behörden und Rentenversicherungsträger bestätigt wird.

Unter diesen Umständen haben die verfassungsrechtlich geschützten Interessen der Gläubiger und das öffentliche Interesse an einer wirksamen Zwangsvollstreckung gegenüber dem Eingriff in das Recht des Schuldners auf informationelle Selbstbestimmung Vorrang.

4. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist auch nicht aus anderen Gründen richtig (§ 577 Abs. 3 ZPO).

a) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 802l Abs. 1 ZPO, dass aufgrund der vom Schuldner erteilten Vermögensauskunft bei einer Vollstreckung eine vollständige Befriedigung des Gläubigers nicht zu erwarten ist und die zu vollstreckenden Ansprüche mehr als 500 € betragen müssen, sind erfüllt.

b) Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen vor, ist der Gerichtsvollzieher nach § 802l Abs. 1 ZPO dazu verpflichtet, die vom Gläubiger begehrten Drittauskünfte einzuholen (vgl. Zöller/Stöber aaO § 802l Rn. 5; Voit in Musielak aaO § 802l ZPO Rn. 9; MünchKomm.ZPO/Wagner aaO § 802l Rn. 19; LG Magdeburg, DGVZ 2014, 224, 225). Dem Gerichtsvollzieher steht schon im Hinblick auf die zu schützenden Grundrechte des Gläubigers kein Ermessen zu.

5. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil eine abschließende Prüfung der Erforderlichkeit der Einholung von Drittauskünften nach den vorstehend Rn. 15-20 dargelegten Grundsätzen durch den Tatrichter noch nicht erfolgt ist.

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Vorinstanzen:

AG Regensburg, Entscheidung vom 08.05.2014 – 2 M 1054/14 -
LG Regensburg, Entscheidung vom 30.06.2014 – 7 T 221/14 -

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