Insolvenzanfechtung: Entgegenkommen kann bestraft werden

24.05.2012 - 14:38

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OLG Bremen verurteilt Bremer Unternehmer zur Rückzahlung eines Vergleichsbetrages.
Nach fast vier Jahren muss der Händler den erhaltenen Vergleichsbetrag zuzüglich Zinsen an den Insolvenzverwalter zurückzahlen.

Bremen, Mai 2012. Das Landgericht Bremen verurteilte einen Unternehmer aus Bremen, gemäß §§ 143, 133 InsO an einen Insolvenzverwalter rund 18.000 Euro zurückzuzahlen (Urteil v. 24.01.2011 – 4-O 666/10). Das OLG Bremen als Berufungsinstanz hat dieses Urteil jetzt bestätigt (Urteil v. 23.12.2011 – 2 U 25/11). Der Großhändler war freiwillig bereit gewesen, gegen Zahlung eines Teils der längst fälligen Forderung auf einen Großteil zu verzichten, um dem angeschlagenen Kunden zu helfen. Der Kunde wollte sein Unternehmen nach Durchführung des Vergleichs liquidieren. Nach nunmehr fast 4 Jahren muss der Händler den erhaltenen Vergleichsbetrag zuzüglich Zinsen an den Insolvenzverwalter zurückzahlen.
„Sobald man als Gläubiger von der drohenden Zahlungsunfähigkeit eines gewerblichen Schuldners erfährt, riskiert man in einem bis zu zehn Jahre (!) später beantragten Insolvenzverfahren die Rückforderung von dennoch geleisteten Zahlungen“, so Bernd Drumann, Geschäftsführer der Bremer Inkasso GmbH. Hierfür ist nach Ansicht einiger Gerichte nicht viel mehr erforderlich als der Hinweis des Schuldners auf Zahlungsschwierigkeiten und die Bitte um Stundung oder Teilverzicht.
Dem Gläubiger hilft dann im Grunde allein noch das begründete Vertrauen darauf, dass es zur Sanierung des Schuldners kommen oder dass kein anderer Gläubiger durch die Zahlung schlechter gestellt werde. Deshalb sollte man anstelle der Zwangsvollstreckung oder des Insolvenzantrags nur dann „freiwillige“ Teilzahlungen des Schuldners (etwa aufgrund eines Sanierungs- oder Liquidationsvergleichs) akzeptieren, wenn ein plausibles Konzept vorgelegt wird oder die Zustimmung bzw. ein entsprechendes Entgegenkommen sämtlicher Gläubiger nachgewiesen wird. Das Konzept sollte idealerweise nicht vom Schuldner selbst stammen und muss jedenfalls konkrete Anhaltspunkte zu Art, Umfang und Realisierbarkeit der angestrebten Sanierung bzw. Liquidation enthalten; diese Unterlagen sollten wenigstens zehn Jahre aufbewahrt werden, so Drumann weiter.
Folgendes war geschehen: Der Unternehmer hatte in der Zeit von Februar bis April 2008 für 45.000 Euro Ware an einen Kunden geliefert. Im Mai 2008 hatte er auf dringendes Ersuchen seines Käufers einer Vergleichsregelung zugestimmt. Jener war in einen schweren Liquiditätsengpass geraten und wollte sein Unternehmen lieber geordnet liquidieren als in die Insolvenz führen. Zu diesem Zwecke müssten nur seine Gläubiger auf jeweils 60 Prozent ihrer Forderungen verzichten. Dazu war der Unternehmer bereit, wenn auch die anderen Gläubiger mitzögen – mit Ausnahme der Hausbank, welche über persönliche Sicherheiten der Gesellschafter verfügte und deshalb eine stärkere Stellung für sich reklamieren konnte. Der Kunde bestätigte Ende Juli 2008 schriftlich, dass die Kreditoren dem Verzicht zugestimmt hätten und leistete kurz darauf die Vergleichszahlung von noch 18.000 Euro. Den bis Ende Oktober 2008 vereinbarten Nachweis über den allseitigen Verzicht und die Liquidation blieb er jedoch in der Folge schuldig.
Vielmehr wurde im Januar 2010 und damit fast 1 ½ Jahre nach der Zahlung über das Vermögen des Kunden ein Insolvenzverfahren eröffnet, und der Insolvenzverwalter verlangte nun das Geld zurück. Landgericht und OLG Bremen halten dieses Begehren für berechtigt – sie werfen dem Unternehmer vor, bei der Annahme der Zahlung den (angeblichen) Vorsatz ihres Kunden gekannt zu haben, dadurch die übrigen Gläubiger zu benachteiligen. Das Vertrauen auf die (offenbar ansonsten nur halbherzigen und erfolglosen) Vergleichsbemühungen ändere hieran nichts. Dem Unternehmer hätten bei Entgegennahme der Vergleichszahlung nur „hohle“ Ansagen aus dem Munde des Kunden vorgelegen und keine konkreten Anhaltspunkte über Art, Umfang und Realisierbarkeit des angestrebten Vergleichs. Dass der Großhändler die schriftliche Bestätigung des Kunden vorliegen hatte, dass alle Lieferanten (mit Ausnahme der Bank) dem Vergleich zugestimmt hätten, und dass dieser unter der Voraussetzung geschlossen wurde, dass der Nachweis noch zu erbringen war, ließen die Gerichte nicht ausreichen.
„Diese Tendenz in der Rechtsprechung zum Insolvenzanfechtungsrecht und hier § 133 InsO muss dringend gestoppt werden“, so Bernd Drumann. In den Jahren 2003 – 2008 betrug bei uns der Anteil der Anfechtungen mit 10-Jahres-Frist nur 4,76 %. Im Jahre 2009 stieg der Anteil solcher Anfechtungen nach § 133 InsO auf immerhin 45,45 %. Insgesamt haben die Anfechtungen nach §§ 130, 131 und 133 InsO, im Vergleich zum Vorjahr, im Jahre 2010 bei uns um etwa 82 % zugenommen.
„Unser Mandant hat sich auch nichts vorzuwerfen“, sagt Drumann. Dieser hatte schließlich gerade für 45.000 Euro Ware geliefert. „Mit dem – im Interesse des Schuldners erklärten – Verzicht von 27.000 Euro war er schon bestraft genug. Dass er jetzt noch 18.000 Euro zurückzahlen soll, ist niemandem mit gesundem Menschenverstand zu vermitteln. Hier kann man nur raten, jegliche Sanierungsbemühungen oder Vergleiche zurückzuweisen – auch wenn das gesamtwirtschaftlich bedauerlich ist – und stattdessen sofort zu vollstrecken oder Insolvenzantrag zu stellen“.

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