Geplantes Gesetz kann so manchen Inkassounternehmer direkt in die Pleite treiben

Inkassounternehmer redet Tacheles

27.11.2019 - 12:39

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-- Bei dem geplanten Gesetzesvorhaben gibt es dringenden Nachbesserungsbedarf, sonst erleidet eine ganze Wirtschaftsbranche ggf. irreparable Schäden.

Einige Personen werden zur Überschrift sagen: Na, da trifft es dann ja endlich mal die Richtigen! Inkasso ist zu einem Reizwort geworden, mit dem fast immer nur Negatives verbunden wird, und für viele ist Inkasso ungerecht, gar verbrecherisch, sind die berechneten Kosten überzogen und gehört die ganze Branche abgeschafft. Dass nicht nur Inkassounternehmen, sondern auch Rechtsanwälte „Inkasso“ betreiben, ist ebenfalls längst nicht allen bekannt.

Kann man sich schon bei der aktuellen Rechtsprechung des Eindrucks kaum erwehren, dass es hierzulande eher um den Schutz des Schuldners als um den des Gläubigers geht, so wird dieser Eindruck durch ein neues Vorhaben der Bundesregierung nur noch verstärkt. Es wird erwartet, dass die Bundesregierung zum Ende dieses Jahres einen Gesetzesentwurf basierend auf dem Referentenentwurf vom 16.09.2019 des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vorlegen wird, der den Rechtsanwälten und Inkassounternehmen gleichermaßen kostendeckendes Arbeiten erschweren wird. Es ist beabsichtigt, beiden Rechtsdienstleistergruppen für das außergerichtliche Inkasso unbestrittener Forderungen bis zu 48 % der Grundgebühren zu streichen. Während bislang im Normalfall auch bei unbestrittenen Forderungen bis zu 1,3 Gebühreneinheiten abgerechnet werden können, obwohl die Sache weder besonders umfangreich noch besonders schwierig ist, sieht der Entwurf hier eine Schranke bei 0,7 Gebühreneinheiten vor. Bei den besonders komplizierten Fällen soll die Obergrenze bei 1,3 statt aktuell bei 2,5 Gebühreneinheiten liegen. Besonders Verbraucherschützer fordern schon lange, Inkassokosten zu deckeln. Die Regelung, die dem Ministerium hierzu nun aber vorschwebt, ist schlichtweg unrealistisch. „Und – sie wird einige Inkassounternehmen direkt in die Pleite treiben“, so der Geschäftsführer der BREMER INKASSO GmbH, Bernd Drumann, der nachfolgend auf einige geplante Änderungen eingeht.

Welche Kosten muss ein Schuldner bei einer Hauptforderung von 500 EUR bislang zahlen?

„Rechtsanwälte rechnen meist nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) ab. Dort sind u. a. die unterschiedlichen abrechenbaren Gebühren sowie deren Höhe tabellarisch aufgelistet zu finden. Die Höhe der jeweiligen Gebühren richtet sich zumeist nach dem Gegenstandswert einer Forderung bzw. nach dem Streitwert. Bei dem außergerichtlichen Einzug einer Forderung besteht das Anwaltshonorar bisher in der Regel aus einer Geschäftsgebühr von 1,3 Gebühreneinheiten, einer Auslagenpauschale in Höhe von 20 % dieser Gebühr, höchstens aber 20 EUR, sowie der Mehrwertsteuer (MwSt). Bei einer Forderung von ‚bis zu 500,00 EUR‘ (der niedrigsten vorgesehenen Kategorie) bedeutet das in Zahlen: 58,50 EUR Geschäftsgebühr, 11,70 EUR Auslagenpauschale und 13,34 EUR MwSt, zusammen also 83,54 EUR. Diese Anwalts- oder auch „Inkassokosten“ hat der Schuldner grundsätzlich zu erstatten, wobei er in den meisten Fällen – nämlich dann, wenn der Gläubiger zum Vorsteuerabzug berechtigt ist – noch die MwSt spart. Statt der 500,00 EUR muss der Schuldner also normalerweise 570,20 EUR zahlen. Wenn statt eines Rechtsanwalts ein Inkassounternehmen tätig wird, entstehen meistens dieselben Kosten.“

Was bedeutet die Änderung für einen Inkassounternehmer?

„Der Entwurf sieht nun vor, dass rund 46 % dieser typischen Kosten kraft Gesetzes wegfallen sollen. Bei Forderungen ‚bis 500,00 EUR‘ werden also aus den 70,20 EUR gerade einmal 37,80 EUR. Dieses Honorar stünde aber für die Rechtsanwälte bzw. Inkassounternehmen in keinem Verhältnis mehr zum Aufwand, der eingesetzt werden muss, um es zu verdienen. Schon die aktuellen Honorare sind bei kleinen Forderungen kaum – bzw. oft auch gar nicht – kostendeckend, wenn man sich die erforderlichen Arbeitsschritte und die mitzubringende Qualifikation vor Augen hält. Insbesondere dann, wenn für ein Inkassounternehmen ein Großteil der Forderungen, die ihm zum Einzug übertragen werden, in die unterste Streitwertkategorie fallen – bei uns im Haus sind das ca. 58 % –, droht diesem das wirtschaftliche Aus. Dann gelingt nämlich auch eine Querfinanzierung durch das Inkasso höherer Forderungen mit entsprechend höherem Honorar nur begrenzt – erst recht, weil auch hier nach dem Entwurf mal eben rund 46 % des aktuellen Standardhonorars gestrichen werden sollen.

Die folgenden Zahlen stimmen nachdenklich: Unser Unternehmen weist in seiner veröffentlichten Bilanz für 2018 einen Gewinn von rund 82.000,00 EUR aus; im gleichen Zeitraum wurden 5510 Akten erledigt. Das ergibt einen Gewinn von im Schnitt gerade einmal 14,88 EUR pro erledigte Akte – bereits unter Berücksichtigung derer (42 %) mit einer Forderungshöhe von mehr als 500,00 EUR. In den meisten Fällen haben wir dabei das genannte normale Honorar berechnet, das um 46 % und absolut um mindestens 32,40 EUR gekürzt werden soll. Das kann einfach nicht gutgehen! Inkasso ist schon heute keine „Lizenz zum Gelddrucken“ – wir stehen mit unserem Bilanzgewinn noch gut da; andere Inkassounternehmen weisen bereits vor der geplanten Änderung Verluste aus, wie ein Blick in das Unternehmensregister und die dort veröffentlichten Bilanzen zeigt.“

Änderung bedroht kleine und mittelständische Unternehmen

„Nach meiner Kenntnis handelt es sich bei der überwiegenden Anzahl der in Deutschland tätigen Inkassounternehmen um freiberufliche 1- bis 2-Personen-Büros. Eine Forderung wird sehr oft manuell in die Software eingegeben (bei uns trifft das auf rund 99 % der Forderungen zu). Bei korrekter Bearbeitung und Berücksichtigung aller erforderlichen Prüfparameter wie z. B. Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken, Zahlungsverzug, Verjährung, Geldwäschegesetz, Datenschutz, Prüfung auf streitigen Sachverhalt usw. kann die Erfassung nur einer Forderung schnell eine halbe Stunde dauern. Handelt es sich um einen neuen Mandanten, kommt noch eine viertel Stunde oben drauf. Im Weiteren geht es dann von einem erneuten Anschreiben an den Schuldner über ggf. die Ermittlung der Telefonnummer, ein Telefonmahnverfahren, die Recherche von Negativdaten, ggf. Anschriftenermittlung bei Verzug des Schuldners bis hin zur Empfehlung für den Mandanten für das weitere Vorgehen. Da kommt einiges an Zeit zusammen. Ein Telefonmahnverfahren ist aufwendig und wird z. B. zumeist von einem Anwalt nicht erbracht. Die Forderung, die Gebührensätze dermaßen zu senken, ist ein Skandal! Inkassodienstleistungen zu den Sätzen zu erbringen, wie sie dem Ministerium vorschweben, ist sowohl für Rechtsanwälte als auch für Inkassounternehmen gänzlich unwirtschaftlich und undurchführbar. Schon zu den bereits jetzt gültigen Sätzen ist es für die meisten Rechtsdienstleister bei kleineren Forderungen kaum mehr profitabel.

Die Deckelung der Gebühren und somit die gefühlte Reduzierung der Inkassodienstleistung auf ‚ein bisschen Briefe schreiben und telefonieren zu völlig überzogenen Preisen‘ erscheint doch sehr eindimensional gedacht, um nicht zu sagen: dumm. Jeder, der für ein Kännchen Kaffee in einem Restaurant 4 EUR bezahlt, weiß, dass er die nicht nur für die 0,3 Liter ‚braunes, aromatisches Wasser‘ bezahlt, sondern dass in den 4 EUR anteilig Kosten für Personal, Strom, Miete, Reinigung etc., enthalten sind. Inkassounternehmen sind kaufmännische Betriebe mit kaufmännischer Verwaltung. Es gibt weit über hundert verschiedene kaufmännische Tätigkeiten von Posteingang und ausgang, über Finanzbuchhaltung, Lohnbuchhaltung bis hin zu Aktenführung und Archivierung usw. Viele Inkassounternehmen sind Ausbildungsbetriebe und beschäftigen Arbeitnehmer und damit Steuerzahler mit unterschiedlichen Ausbildungen von Bürokaufleuten, Rechtsanwalts- und Notargehilfen, über Reinigungskräfte bis hin zu Volljuristen. Neben Miete und Nebenkosten für die Unternehmensräumlichkeiten müssen auch die Gehälter gezahlt werden. Die Personalkosten für unsere 22 Mitarbeiter steigen von Jahr zu Jahr. Anderen Inkassounternehmen und Rechtsanwälten geht es nicht anders. Und die Einnahmen sollen per Gesetz um rd. 46 % gesenkt werden? Viele Rechtsdienstleister werden dichtmachen müssen, wollen sie nicht selbst zu Schuldnern werden.“

Forderungseinzug wesentlicher Wirtschaftsfaktor nicht Buhmann

„Jedes Jahr werden viele Millionen an offenen Forderungen durch Inkassodienstleistungen realisiert, Forderungen, die weder tituliert noch vollstreckt werden müssen. Das entlastet die Justiz, erspart Schuldnern (noch deutlich) höhere Kosten, sichert Unternehmern die Liquidität und stärkt somit die Wirtschaft. Laut Begründung des Referentenentwurfs soll nun der Verbraucher vor Inkassokosten geschützt werden. Der vorgesehene „Schutz“ führt jedoch dazu, dass säumige Verbraucher (und andere Schuldner) von Kosten der seriösen und sachgerechten Rechtsverfolgung teilweise verschont werden sollen, die (gerade bei kleinen Forderungen, die im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Verbraucherschützer stehen) dem entfalteten Aufwand und der erforderlichen Sachkunde allemal angemessen sind – zum Nachteil im ersten Schritt der Rechtsdienstleister, wenigstens mittelbar aber auch der Gläubiger und damit am Ende wohl auch derjenigen Verbraucher, die ihre Schulden fristgerecht bezahlen. Verbraucherschutz sieht anders aus!
Verbraucher gegen unseriöse Machenschaften und vor wirklich überzogenen Rechnungen zu schützen, dagegen hat kein seriöser Unternehmer etwas, ganz im Gegenteil. Jede Form professionellen Inkassos aber durch laufend neue Gesetze und Regeln immer und immer wieder einem Generalverdacht zu unterwerfen, der wichtigen und bereits heute ihr Geld werten, umfangreichen und juristisch fundieren Tätigkeit von seriösen und oft seit Jahrzehnten beanstandungsfrei arbeitenden Inkassounternehmen die Wertschätzung zu versagen und ihnen nun auch noch die Existenzgrundlage entziehen zu wollen, das geht zu weit und macht mich sprachlos.

Vieles wäre noch anzumerken, würde aber zu weit führen. Bemerkenswert ist allerdings die Geschwindigkeit, mit der die erneute Reform der Inkassodienstleistungen ‚durchgepeitscht‘ wird. Soll das Vorhaben doch schon Mitte nächsten Jahres umgesetzt sein. Am Ende der Entwurfsbegründung wird jedoch bereits eine erneute Evaluierung nach wenigen Jahren in Aussicht gestellt. Ist der Gesetzgeber sich doch nicht so sicher, ob das alles so in die richtige Richtung geht?

Sicher ist aber, dass, sollten alle Vorhaben und Änderungen so Gesetz werden, wie sie angedacht sind, viele Unternehmer auf ihre berechtigten Forderungen werden verzichten müssen, da es immer weniger Rechtsdienstleister geben wird, die für sie noch kostendeckend arbeiten können. Menschen werden ihre Arbeit verlieren, der Wirtschaft werden Millionen fehlen, die in ihren Kreislauf wieder eingebracht werden… Dann kommt eine Evaluierung mit Sicherheit für viele zu spät.“
Foto: © BREMER INKASSO GmbH / www.bremer-inkasso.de

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