Erhöhung der Pfändungsfreigrenzen

Bremer Inkasso GmbH: Gläubiger müssen weitere „Kröte“ schlucken.

16.07.2015 - 12:30

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Mit der Erhöhung der Pfändungsfreigrenze muss der Gläubiger einmal mehr zurückstecken. Wenn beim Schuldner überhaupt etwas zu pfänden ist, dauert die Realisierung der Forderung nun noch länger.

Seit dem 1. Juli 2015 gilt mindestens für die Dauer von zwei Jahren der pfändungsfreie Grundbetrag für den Schuldner in Höhe von 1.073,88 EUR. Bis dahin betrug er 1.045,04 EUR.

In der Bekanntmachung zu den §§ 850c und 850f der Zivilprozessordnung (ZPO) – der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2015 – vom 14. April 2015 des Bundesjustizministeriums werden die neuen unpfändbaren Beträge für Arbeitseinkommen festgelegt. Die Tabelle, die zeitgleich veröffentlicht wird, zeigt, was dem Schuldner, abhängig von Einkommen und Anzahl unterhaltsberechtigter Personen, bei einer Lohnpfändung bleibt bzw. auf welchen Betrag zugegriffen werden kann. Generell findet eine Erhöhung bzw. Anpassung alle zwei Jahre zum 1. Juli statt. Sie geschieht entsprechend der prozentualen Entwicklung des einkommensteuerlichen Grundfreibetrages, der der Existenzsicherung dient. Dem Schuldner werden so die steigenden Lebenshaltungskosten „ausgeglichen“. „Anders ergeht es dem Gläubiger“, so Bernd Drumann, Geschäftsführer der Bremer Inkasso GmbH. „Für ihn steigen besagte Kosten zwar auch, das findet aber keine Berücksichtigung. Im Gegenteil. Darüber hinaus wird er durch die Erhöhung der Pfändungsfreigrenze nur zu noch ‚längerem Atem‘ gezwungen. Nicht selten geht einem Gläubiger dabei die Puste aus.“

Tabelle gibt Aufschluss – Gläubiger warten jetzt noch länger auf ihr Geld

„Da, wo sich der Schuldner beim Blick in die Tabelle über mehr Euro in der Tasche freut, treibt es manchem Gläubiger die Tränen in die Augen“, weiß Bernd Drumann zu berichten. „Einmal mehr muss der Gläubiger ‚zurückstecken‘. Mit der Erhöhung des Pfändungsfreibetrages verringert sich der pfändbare Anteil beim Schuldner, und der Gläubiger muss noch länger auf die Befriedigung seiner Forderungen warten – oder er bekommt gar nichts mehr aus der Pfändung ausgezahlt. Lag der pfändbare Nettolohn eines Schuldners ohne unterhaltsberechtigte Person z. B. bei 1.490,- EUR, so erhielt der Gläubiger in der zurückliegenden Zeit 311,47 EUR. Seit 1. Juli 2015 erhält er dann nur noch 291,28 EUR und damit 20,19 EUR monatlich oder 242,28 EUR jährlich weniger.“

Bereinigter Nettolohn als Ausgangswert – Pfändung als letzte Maßnahme

Der so genannte bereinigte Nettolohn gilt als Ausgangswert der Pfändungstabelle. Er ist mit dem steuerlichen Nettolohn nicht zwingend identisch. Es ist gesetzlich sowohl geregelt, was dem Arbeitseinkommen hinzugerechnet wird, als auch, was davon in Abzug zu bringen ist. Großen Einfluss auf die Pfändungsfreigrenze hat die Anzahl der Personen, denen der Schuldner gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet ist – wenn er dieser Pflicht auch tatsächlich nachkommt. Bei 1.439,99 EUR lag bisher für einen verheirateten Schuldner die Pfändungsfreigrenze. Diese stieg jetzt auf 1479,99 EUR.

„Natürlich ist es notwendig, gerade auch in einem Sozialstaat, dass dem Schuldner ein Teil seines Einkommens zum Bestreiten seines Lebensunterhalts gelassen wird – sonst hätten wir gleich das nächste Dilemma. Dabei sollte man aber nicht vergessen, dass die Pfändung erst ganz am Ende einer Reihe von Maßnahmen steht, einer Reihe von Maßnahmen, mit denen Gläubiger nicht selten verzweifelt versuchen, ihre berechtigten Forderungen zu realisieren“, erklärt Bernd Drumann. „Und in den allermeisten Fällen haben diese Maßnahmen die Gläubiger bis dahin schon viel Geld, Nerven, Zeit und Personaleinsatz gekostet.“

Überschuldung Hauptgrund für offene Rechnungen

„Die Beobachtung, dass Gläubiger nicht selten selbst in wirtschaftliche Not geraten, weil die Kunden die erhaltene Lieferung/Leistung nicht bezahlen, ist ein Teil unseres Geschäftsalltags, auch wenn die Firmen- sowie Privatinsolvenzen leicht rückläufig sind“, berichtet Drumann. „Laut Umfrage des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen e. V. (BDIU) bei Inkasso-Unternehmen zum 1. Halbjahr dieses Jahres ist der Hauptgrund für offene Rechnungen bei Verbrauchern mit 81% nach wie vor die Überschuldung. Das bedeutet, dass mit den regelmäßig zur Verfügung stehenden Mitteln die monatlich anfallenden Lebenshaltungskosten sowie bestehende Verbindlichkeiten über einen gewissen Zeitraum oder auf Dauer nicht mehr zu begleichen sind. Das betrifft auch immer mehr junge Menschen.“

„Geld, was ich nicht habe, kann ich nicht ausgeben. Eigentlich ganz einfach. Und doch ist zu beobachten, dass immer öfter die grundlegendsten Dinge im Bereich Finanzkompetenz bei jungen Leuten (aber nicht nur) fehlen, weil finanzielle Zusammenhänge in den Familien nicht mehr vermittelt werden, vermittelt werden können“, sagt Drumann. „Folgerichtig wäre, sich seitens der Kindergärten und Schulen schon früh dieses Themas anzunehmen. Und das durch Festschreibung in Erziehungs- und Lehrplänen. Statt aber dem Übel über die Wurzel beizukommen, bekommt die ‚Eidesstattliche Versicherung‘ einen neuen Namen und darf sich jetzt ‚Vermögensauskunft‘ nennen. Ein Begriff, der das Gegenteil von dem suggeriert, was er eigentlich bedeutet. Da wird die Wohlverhaltensperiode auf drei Jahre verkürzt‚ und zwei Jahre nach Ankündigung seitens der Politik, das Insolvenzanfechtungsrecht prüfen zu wollen, kommt erst jetzt, aber wenigstens überhaupt endlich Bewegung in die Sache“, so Drumann. „Darüber hinaus“, so der Geschäftsführer weiter, „sind diejenigen, die die Pfändungen letztlich durchführen sollen, die Gerichtsvollzieher, heillos überlastet und hat das ‚Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung‘ das Gegenteil von dem bewirkt, was es sollte. Einmal mehr hat der Gläubiger das Nachsehen!“

Klare Signale sind dringend nötig

„Die automatische Erhöhung der Pfändungsfreigrenzen in Anpassung an die Entwicklung von – mittelbar – Verbraucherpreisen ist ein gesetzlich verankertes, aber wohl eher doch kleineres Übel für den Gläubiger, gemessen an den o. g. Entscheidungen, mit denen die Politik scheinbar eher dem Schuldner als dem Gläubiger den Rücken stärkt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt – ist doch, lt. oben erwähnter Umfrage des BDIU, das Zahlungsverhalten der öffentlichen Hand ganz im Gegensatz zum allgemeinen Zahlungsverhalten unverändert schlecht.“

„Es reicht nicht, sich über mangelnde Zahlungsmoral und Finanzkompetenz aufzuregen. Gefragt ist m. E. auch ein Lehrstück, ‚aufgeführt‘ von Politik und Gesetzgeber, darüber, wie wertschätzend (oder eben auch nicht) man mit denen umgeht, die mit unternehmerischem Mut unsere Wirtschaft voranbringen, und wie man sie darin unterstützt, die rechtmäßigen Forderungen zu realisieren, die sie durch Erbringen von Lieferungen und Leistungen erworben haben. Die ‚Kröte‘ Pfändungsfreigrenzenerhöhung müssen die Gläubiger wohl schlucken. Existenzsicherung ist richtig – keine Frage – sowohl für den Schuldner, als aber eben auch für den Gläubiger. Ein eindeutiges Bekenntnis von Gesetzgeber und Politik dazu und zur Bedeutung der Rolle der Gläubiger und ihrer Rechte ist lange überfällig“, so Bernd Drumann abschließend.

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