Ist ein Kunde in die Insolvenz geraten, schwebt nach geltendem Recht über dem Gläubiger noch bis zu zehn Jahren das Damoklesschwert der Insolvenzanfechtung. Das ist ein Risiko, was nach meiner Meinung kein Unternehmer wirtschaftlich kalkulieren kann. Manche Insolvenzverwalter haben bei Insolvenzanfechtungen scheinbar völlig das rechte Maß verloren.
Um eine Zahlung anfechten zu können und damit dem Gläubiger Geld „abzunehmen“, was der z. B. im Rahmen von Ratenvereinbarungen damals von seinem Kunden noch bekommen hatte, ist die s. g. „Kenntnisvermutung“ von Bedeutung. D. h., der Insolvenzverwalter soll Zahlungen anfechten können, wenn der Gläubiger gewusst haben kann, dass der Kunde zahlungsunfähig war, – mehr noch – dass der Kunde vorhatte, andere Gläubiger zu benachteiligen, indem er (nach folgendem Beispiel) noch eine Rate an den Unternehmer gezahlt hat, und somit dieses Geld der Insolvenzmasse entzogen hat. Schwer zu verstehen und noch schwerer, nachzuvollziehen.
Zum vielleicht besseren Verständnis ein Beispiel aus meiner Büropraxis: Ein Dienstleistungsunternehmen aus der Zeitarbeitsbranche hatte in der Zeit von März bis April 2009 Personal an eine Sanitärtechnikfirma ausgeliehen und hierfür insgesamt rd. 2400 EUR in Rechnung gestellt. Noch im April 2009 wandte man sich seitens der Sanitärtechnikfirma an den Unternehmer und bat darum, die Rechnung in Raten von 300 EUR zahlen zu dürfen. Beginnen wollte man damit Mitte Mai 2009. Der Unternehmer machte einen Gegenvorschlag mit Raten von 500 EUR und bat, die erste Rate schon am 08.05.2009 zu überweisen. Damit war man bei der Sanitärtechnikfirma einverstanden. Am 15.05.2009 ging die erste Rate ein; weitere Zahlungen gab es nicht mehr. Am 15.07.2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Sanitärtechnikfirma eröffnet. Und dann forderte der Insolvenzverwalter im Oktober 2011 den Dienstleistungsunternehmer auf, 500 EUR zurückzuzahlen.
Der Insolvenzverwalter wirft dem Dienstleister vor bzw. unterstellt ihm geradezu, bei der Annahme der (1. Raten-)Zahlung in Höhe von 500 EUR den (angeblichen) Vorsatz seines Kunden, die übrigen Gläubiger benachteiligen zu wollen, gekannt zu haben. Zur Begründung dieser Kenntnis heißt es nur, dem Unternehmer sei ja bekannt gewesen, dass die Sanitärtechnikfirma nur Abschlagszahlungen habe leisten können, die dann ja von ihr auch nicht mal eingehalten worden sein. Denn statt am 08.05.2009, wie vereinbart, sei das Geld ja erst am 15.05.2009, sieben Tage später, gezahlt worden.
Außergerichtlich gab es mit dem Insolvenzverwalter keine Einigung, die Insolvenzanfechtung aufzugeben. Inzwischen ist die Klage des Insolvenzverwalters sogar beim zuständigen Amtsgericht eingegangen. Ich finde es einfach unerträglich, wie die Auslegung des Gesetzes – § 133 InsO (Insolvenzordnung) – von Seiten der Rechtsprechung gehandhabt wird, auf die sich dann solche Klagen stützen.
Wie oft werden vereinbarte (Raten-)Zahlungsziele nicht genau eingehalten und das auch stillschweigend geduldet. Das ist doch aber bei einer Insolvenz eines Kunden innerhalb der nächsten zehn Jahre nicht als Indiz für die Kenntnis des Unternehmers zu werten, von einem Vorsatz seines Kunden gewusst zu haben, Gläubiger benachteiligen zu wollen. Gibt es also bei einer Zahlung eines Kunden auch nur den kleinsten Anhaltspunkte, an dessen gegenwärtigen oder zukünftigen Zahlungsfähigkeit zu zweifeln, droht faktisch ein „Rückforderungsbegehren“, sollte binnen 10 Jahren Insolvenzantrag gestellt werden. Ich finde, das ist ein unmögliches, unkalkulierbares Risiko und für keinen Unternehmer hinnehmbar. Manche Insolvenzverwalter haben nicht nur das Augenmaß verloren, willkürliches Handeln ist vielleicht der treffendere Begriff.
Ich erwarte, dass der Gesetzgeber umgehend die Anfechtungsvoraussetzungen konkretisiert und somit auch der oft sehr weiten Auslegung des Gesetzestextes aus den eigenen Reihen einen Riegel vorschiebt. Bei der herrschenden Rechtsunsicherheit kann es auf keinen Fall bleiben!