Bundesgerichtshof bestraft Lieferanten. Unzumutbare Auslegung der Vorsatzanfechtung macht Unternehmern arg zu schaffen.

Im Dezember vergangenen Jahres wurde ein Unternehmer vom Bundesgerichtshof zu einer Rückzahlung von rund 112.000 Euro an einen Insolvenzverwalter zzgl. der seit 2005 aufgelaufenen Zinsen verurteilt. Grundlage für dieses Urteil war die so genannte Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO (Insolvenzordnung). Der Warenlieferant war seinem Kunden bei der Rückzahlung fälliger Rechnungen seit März 2004 durch mehrere Ratenzahlungsvereinbarungen entgegengekommen. Anderthalb Jahre später wurde dann aber doch das Insolvenzverfahren eröffnet. Und jetzt, über sieben Jahren später, hat der Lieferant einen großen Teil der erhaltenen Raten an den Insolvenzverwalter zu zahlen. Das Gericht ging davon aus, dass der Unternehmer schon bei der Ratenzahlung auf Zahlungsschwierigkeiten seines Geschäftspartners schließen konnte. Und dass mit den  Ratenzahlungen des Schuldners an ihn die anderen späteren Gläubiger mit Vorsatz benachteiligt wurden.

Der § 133 Abs. 1 InsO besagt u. A., dass eine Zahlung des Schuldners anfechtbar ist, wenn er sie innerhalb von zehn Jahren vor dem Insolvenzantrag mit dem Vorsatz erbracht hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, und der Empfänger diesen Vorsatz kannte. – (Verstanden? Ich versuche es nachfolgend zu verdeutlichen.) – Soweit ja alles, so gut! Das war vom Gesetzgeber als Maßnahme gegen kriminelles Vorgehen gedacht. Heute aber wird es von der Rechtsprechung auf alltägliche Zahlungen von Unternehmen in kritischen Phasen angewendet. Es wird einem Schuldner einfach „Vorsatz“ unterstellt, wenn er versucht, seine Rechnungen doch wenigstens noch teilweise zu begleichen. „Vorsatz“ bedeutet, dass sich der Schuldner seines Tuns und der Auswirkungen bewusst ist, sich quasi sagt: >Dem einen zahl ich was, und die anderen bekommen nichts. Und das benachteiligt die Restlichen dann, sollte ich Insolvenz anmelden müssen, auch wenn das erst in 9 Jahren sein sollte. Und das mache ich jetzt bewusst und mit voller Absicht.>

Und einem Unternehmer unterstellt man, von diesem Vorsatz Kenntnis gehabt zu haben. Entweder muss dieser Gedanken lesen können, oder er muss generell an das Schlechte im Menschen glauben. Wenn dem so wäre, hätte er sich aber m. E. gar nicht auf Ratenzahlung eingelassen. Die Vorgehensweise der Rechtsprechung ist dermaßen an den Haaren herbeigezogen, dass es mich graust. Der Gesetzgeber muss diesem „Auslegungs-Auswuchs“ der Vorsatzanfechtung dringendst ein Ende machen.

Rechtssicherheit wird scheinbar durch Mutmaßungen, Annahmen, Interpretationen, Auslegungen und Unterstellungen ausgehebelt. Welcher Unternehmer kann da noch seinen Geschäften nachgehen, wenn ihm sogar schon eine Rücklastschrift später mal zum Verhängnis werden kann?

Nur der Unternehmer, der bei Teilzahlungswünschen seiner Kunden anwaltliche Beratung oder die Hilfe eines darin fachkundigen Inkassounternehmens in Anspruch nimmt, hat später eine Chance. Es gilt Anhaltspunkte zu sammeln, die die Annahme, von dem „Vorsatz“ des Kunden gewusst zu haben, widerlegen können. Diese müssen dann „nur“ noch dokumentiert und für 10 Jahre sorgfältig aufbewahrt werden. Dabei weise ich darauf hin: Chance ist nicht gleich ‚Erfolg damit haben‘ und Annahme ist nicht gleich auch ‚einen Beweis für etwas zu haben‘!

Und wo sind die Kunden, die das mitmachen?

Bleibt es bei dieser Auslegungsbandbreite der Vorsatzanfechtung, so werden meines Erachtens  massenhaft Unternehmen ohne Not in die Pleite getrieben!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Mit der Nutzung dieses Formulars erkläre ich mich – mit Speicherung / Verarbeitung meiner hier erhobenen personenbezogenen Daten – durch diese Website einverstanden (Einwilligung). Mir wird hiermit zur Kenntnis gebracht, dass ich die gesetzlichen Rechte und Pflichten hinsichtlich meiner personenbezogenen Daten der Datenschutzerklärung dieser Website (jederzeit, auch nachträglich) einsehen kann.