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LG Verden, JurBüro 2017, 100

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LG Verden, Beschl. v. 23.11.2016 – 6 T 126/16

Fundstelle: JurBüro 2017, 100
Thema: ZPO § 802f Abs. 3; GVGA § 15 Abs. 2; GvKostG KV 100, 101

(Zustellung durch den Gerichtsvollzieher/Weisung des Gläubigers/Ermessensentscheidung)

Weist der Gläubiger den Gerichtsvollzieher an, Zustellungen auf dem Postwege vorzunehmen, so muss der Gerichtsvollzieher eine auf den Einzelfall bezogene Ermessensentscheidung treffen. Abstrakte Hinweise auf die Vorteile einer persönlichen Zustellung reichen nicht aus. (L.d.R.)

LG Verden, Beschl. v. 23.11.2016 – 6 T 126/16

Aus den Gründen:

I. Mit Schriftsatz an die Verteilersteile für Gerichtsvollzieheraufträge beim Amtsgericht Achim vom 18.08.2015 beantragte die Gläubigerin, den Schuldner zur Abgabe der Vermögensauskunft zu laden, sollte die Pfändung fruchtlos verlaufen (1.), eine andere Voraussetzung des § 807 Abs. 1 ZPO vorliegen (2.), der Schuldner wiederholt trotz Aufforderung nicht angetroffen worden sein (3.). Der Vollstreckungsauftrag enthielt zudem die folgende Weisung: »Die Zustellung veranlassen Sie bitte durch die Post, sofern die Kosten der persönlichen Zustellung teurer sind.«

Der Obergerichtsvollzieher traf den Schuldner am 04.09.2015 persönlich an. Die Pfändung verlief indes erfolglos, da der Schuldner erklärte, dass er aufgrund der Erkrankung seiner Frau gegenwärtig nicht in der Lage sei, die Vermögensauskunft abzugeben. Er, der Schuldner, müsse sich vielmehr um seine Frau kümmern. Der Obergerichtsvollzieher vermerkte daraufhin in dem Protokoll der Zwangsvollstreckung keinen Widerspruch des Schuldners in Bezug auf eine sofortige Abgabe der Vermögensauskunft und unterließ die Abnahme der Vermögensauskunft vor Ort. Der Obergerichtsvollzieher bestimmte im Folgenden einen Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft auf den 23.11.2015. Die entsprechende Ladung stellte er persönlich zu.

Der Schuldner gab die Vermögensauskunft antragsgemäß ab. Der Obergerichtsvollzieher erstellte eine Kostenrechnung vom 23.11.2015 über 52,00 € (persönliche Zustellung KV 100: 10,00 €; Abnahme der Vermögensauskunft KV 260: 33,00 €; Dokumentenpauschale Antragskopie KV 700: 2,00 €; Auslagenpauschale KV 716: 7,00 €). Mit Schreiben vom 08.12.2015 legte die Gläubigerin Erinnerung gegen die Kostenrechnung ein.

Der Obergerichtsvollzieher half mit Schreiben vom 08.07.2016 der Erinnerung nicht ab und legte seine Ermessenserwägungen zugunsten der persönlichen Zustellung dar. Der Gerichtsvollzieher habe in eigener Verantwortung zu entscheiden, auf welche Weise er die Zustellung vornehme. Insoweit finde das Weisungsrecht der Gläubigerin kein Raum. Postzustellungsaufträge gingen verloren oder würden falsch zugestellt bzw. seien bei der Post gar nicht mehr aufzufinden. Die Nachforschungsaufträge bei der Post würden nicht zeitnah beantwortet. Eine erneute Postzustellung sei wiederum erforderlich. Es würden weitere Kosten und Gebühren für den Gläubiger entstehen. Die persönliche Zustellung sei insgesamt der einfachere und schnellere Bearbeitungsweg. Bei der persönlichen Zustellung bestehe immer die Möglichkeit, den Schuldner bei der Übergabe persönlich anzutreffen und ihn auf den Verfahrensablauf hinzuweisen, Weiterhin zeige die Erfahrung, dass die Schuldner bei der persönlichen Ladung der Zustellung den Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft überwiegend wahrnehmen würden. Die persönliche Zustellung sei verlässlicher und garantiere eine reibungslose Organisation der Arbeit im Gerichtsvollzieherbüro. Die Art und Weise der Erledigung des Auftrages sei nach pflichtgemäßem Ermessen erfolgt.

Die Bezirksrevisorin als Vertreterin der Landeskasse wurde angehört und beantragte mit Schriftsatz vom 15.07.2016 die Zurückweisung der Erinnerung. Das Amtsgericht Achim wies mit Beschl. v. 26.07.2016 – 11 M 253/16 – die Erinnerung zurück und ließ die Beschwerde zu. Mit Schriftsatz vom 04.08.2016 legte die Gläubigerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Achim Beschwerde ein.

Die Gläubigerin ist der Ansicht, dass die vom Obergerichtsvollzieher erhobenen Gebühren für die Zustellung der Ladung zur Abnahme der Vermögensauskunft wegen unrichtiger Sachbehandlung nach § 7 GvKostG hinsichtlich der Nr. 100 und 716 (anteilig) KVGvKostG gänzlich aufzuheben seien. Der Gerichtsvollzieher sei verpflichtet gewesen, den Auftrag in der von der Gläubigerin gewünschten Art und Weise durchzuführen. Die Gläubigerin habe dem Gerichtsvollzieher den Auftrag erteilt, notwendige Zustellungen auf dem Postweg vorzunehmen. Für eine persönliche Zustellung habe kein Auftrag vorgelegen. Die Ladung zur Abnahme der Vermögensauskunft sei dem Schuldner grundsätzlich per Post zu übersenden, sofern der Gläubiger eine entsprechende Weisung erteilt habe. Hinsichtlich der Wahl der Zustellart sei der Ermessensspielraum des Gerichtsvollziehers aufgrund der Weisung der Gläubigerin »auf Null« reduziert. Die speziellen Normen der §§ 31 Abs. 2, 58 Abs. 2 GVGA seien gegenüber dem Wahlrecht des Gerichtsvollziehers in § 15 GVGA vorrangig. Ferner sei § 802a ZPO als die höherrangige Vorschrift heranzuziehen. Hiernach habe der Gerichtsvollzieher auf eine Kosten sparende Beitreibung hinzuwirken und ausschließlich im konkreten Fall eine persönliche Zustellung vorzunehmen.

Das Amtsgericht Achim half der Beschwerde nicht ab und legte die Akten der Kammer zur Entscheidung vor.

II. Die Beschwerde ist zulässig, sie ist insbesondere gem. §§ 7 Abs. 2 Satz 2, 5 Abs. 2 Satz 2 GvKostG i.V.m. §§ 66 Abs. 2 Satz 2 GKG statthaft, da das Amtsgericht Achim die Beschwerde zugelassen hat. Die Gläubigerin ist ferner beschwerdebefugt.

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg, da gegenüber der Gläubigerin Kosten erhoben wurden, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären. Gem. § 7 Abs. 1 GvKostG sind Kosten des Gerichtsvollziehers, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht zu erheben. Voraussetzung für die Niederschlagung von Gerichtsvollzieherkosten ist ein Fehler des Gerichtsvollziehers in seiner Amtstätigkeit.

Nach § 802f Abs. 4 ZPO hat der Gerichtsvollzieher die Ladung zum Termin zur Abnahme der Vermögensauskunft zuzustellen. Hierbei handelt es sich um eine Zustellung im Parteibetrieb gem. §§ 191 ff. ZPO. Der Gerichtsvollzieher nimmt sie aufgrund des Vollstreckungsauftrages selbst vor (§ 193 ZPO) oder er lässt sie durch die Post durchführen (§ 194 ZPO). Die Wahl zwischen beiden Zustellungsarten trifft der Gerichtsvollzieher nach pflichtgemäßem Ermessen. In § 15 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (GVGA) hat die Wahl nach pflichtgemäßem Ermessen ihren Niederschlag gefunden. Die GVGA hat den Charakter einer Verhaltungsvorschrift.

Der Gerichtsvollzieher ist bei der ihm obliegenden Ermessensausübung nicht auf die Umstände des konkreten Einzelfalls beschränkt, sondern darf auch allgemeine Erwägungen und generelle Erfahrungswerte heranziehen. Er muss aber tatsächlich eine auf den jeweiligen Einzelfall bezogene Ermessensentscheidung treffen (vgl. OLG Stuttgart, Entscheidung v. 18.04.2016 – 8 W 483/15).

Vorliegend hat der Obergerichtsvollzieher in seinem Schreiben vom 08.07.2016 zwar ausgeführt, dass er die Entscheidung über die Wahl der Zustellung nach pflichtgemäßem Ermessen getroffen habe. Der Obergerichtsvollzieher legt aber nur abstrakt die Vorteile der persönlichen Zustellung dar und beschränkt sich im Übrigen auf den Hinweis, dass hinsichtlich der Wahl der Zustellung ein Weisungsrecht der Gläubigerin nicht bestehe. Die Kammer vermag hierin nicht eine auf den Einzelfall bezogene Ausübung des Ermessens zu erkennen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Obergerichtsvollzieher eine andere Zustellmöglichkeit im vorliegenden Fall überhaupt erwogen hat, insbesondere vor dem Hintergrund der »Weisung« der Gläubigerin. Zwar kann der Gerichtsvollzieher bei seiner Entscheidung auch allgemeine Erfahrungswerte heranziehen, dies muss aber jeweils im konkreten Fall und bezogen auf die im Einzelfall ersichtlichen Umstände geschehen (vgl. OLG Stuttgart, Entscheidung v. 18.04.2016 – 8 W 483/15). Im vorliegenden Fall lassen die Ausführungen des Obergerichtsvollziehers einen solchen konkreten Bezug nicht erkennen. Der Ausübung des Ermessens wurde daher nicht Genüge getan.

Die Entscheidung des Amtsgerichts Achim sowie der zugrunde liegende Kostenansatz können deshalb keinen Bestand haben. Die Kosten sind zu reduzieren. Es ist kein Grund ersichtlich, dem Gerichtsvollzieher nicht zumindest die Vergütung zuzubilligen, welcher er bei einer postalischen Zustellung erhalten hätte. Dies sind die Gebühr gem. Nr. 101 KVGv (3,00 €) und (fiktive) Auslagen gem. Nr. 701 KVGv (3,45 €) und Nr. 716 KVGv (0,60 € und 6,60 €). Es ergibt sich insgesamt ein Betrag von 48,65 €. Die Kammer konnte vorliegend in der Sache selbst entscheiden.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 66 Abs. 8 GKG.

Die weitere Beschwerde war nach § 66 Abs. 4 Satz 1 GKG nicht zuzulassen. Es fehlt an der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage, da es sich um einen konkreten Einzelfall handelte. Somit erschöpft sich die Auswirkung der Entscheidung in einer von vornherein überschaubaren Anzahl gleich gelagerter Angelegenheiten.

Mitgeteilt von Sven Drumann, Mitarbeiter der Bremer Inkasso GmbH, Bremen

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