Bundesgerichtshof macht aus gerichtlichem Ratenvergleich einen Risikofaktor

Vor kurzem wurde (mal wieder) ein Transportunternehmer vom BGH (Bundesgerichtshof) dazu verurteilt, an einen Insolvenzverwalter 4.500 Euro nebst Zinsen zurückzuzahlen (Urteil v. 25.02.2016 – IX ZR 109/15); Grundlage des Urteils war die Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO (Insolvenzordnung). Der Unternehmer hatte einem gerichtlichen Ratenvergleich zugestimmt. Die erhaltenen 3 Raten von je 1.500 Euro zzgl. Zinsen muss er nun zurückzahlen.

Das ist mal wieder so ein Urteil, bei dem mich die Einschätzung des Gerichtes fassungslos macht. Es ist nicht das erste dieser Art in Bezug auf die Vorsatzanfechtung, aber es wird meiner Meinung nach immer grotesker. Zum einen wertete das Gericht die Schuldsumme als ‚erheblich‘ (nun sind 16.195 EUR zwar kein Pappenstiel, aber im Geschäftsleben absolut auch nichts Ungewöhnliches), zum anderen sieht es zusätzlich in dem ‚einfach nicht Reagieren‘ des Schuldners über einen längeren Zeitraum ein ganz klares Indiz für dessen Zahlungsschwierigkeiten, die der Gläubiger daraus zwingend hätte ableiten können, müssen. Dass aber sowohl Gläubiger als auch Schuldner trotz einer ‚kommunikationslosen‘ Zeit eine gerichtliche Ratenvereinbarung trafen, das spielt komischer Weise keine Rolle, findet keine Würdigung.

Welcher Unternehmer, der endlich mit seinem Schuldner, wenn auch vor Gericht, zu einer Ratenvereinbarung gelangt ist, welche auch noch dort vereinbart und von dort protokolliert wurde, hätte auch nur im Traum daran gedacht, dass jetzt nicht endlich alles in Ordnung ist? Und erst recht dann, als die ersten Raten kamen? Der Gläubiger ist Geschäftsmann, kein Sherlock Holmes, kein David Copperfield und auch nicht das Orakel von Delphi, ’nur‘ Geschäftsmann. Er wollte doch einfach nur seinen ihm rechtlich zustehenden ‚Lohn‘ für die von ihm erbrachte Leistung. Nicht mehr und nicht weniger. 

Das Gericht war aber der Meinung, dass allein das lange Schweigen des Schuldners (einer erheblichen Summe) den Unternehmer hätte vermuten lassen müssen, dass jener in Zahlungsschwierigkeiten steckt, zumal sich mit der in Anspruch genommenen Hilfe eines Rechtsdienstleisters und dem Gang zum Gericht die Summe der Schulden ja noch erhöht hat. Und dass dann erst vor Gericht eine Ratenvereinbarung geschlossen wurde, und nicht schon vorher ‚möglich‘ war, wäre so zu sagen das letzte Indiz für Zahlungsschwierigkeiten gewesen.

Es gibt so viele Gründe für ein ‚langes Schweigen‘ wie z. B. der Verlust eines Ehepartners oder Kindes, um nur einen zu nennen…… Und auch die Ratenzahlung ist im Geschäftsleben nichts Ungewöhnliches….. Dass die erst vor Gericht zustande kam, ist zwar nicht die Regel, aber es kommt vor…… Aber wer geht davon aus, dass etwas, was vor Gericht beschlossen und dort protokolliert wurde und somit auch die ganze Sache zu einem Ende brachte, im Nachherein gegen den Gläubiger schädlich ausgelegt wird. Wohl kein normal denkender Mensch.

Wenn dem Beschluss zum ‚Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz‘ nicht bald Taten folgen, wird die Planungsunsicherheit im Geschäftsverkehr hier zu Lande unerträglich. Die gängige Auslegepraxis der Gerichte in Bezug auf die Vorsatzanfechtung zeugt von einem massiven Misstrauen gegenüber dem einzelnen Unternehmer und hat schon vielen von ihnen das Genick gebrochen. Die Unschuldsvermutung scheint bei dem § 133 InsO nichts zu gelten.

Es gibt für einen Unternehmer m. E. so gut wie keine reale Chance, die ihm ‚unterstellte Kenntnis‘ von Zahlungsschwierigkeiten seines Kunden, die die Vorsatzanfechtung begründet, zu widerlegen. Wie auch, wenn die Hinweispalette auf Zahlungsschwierigkeiten von der Rechtsprechung permanent erweitert, neu interpretiert, in immer neue Zusammenhängen gesetzt und immer neuen Lesarten unterworfen wird.

Tut sich ein Schuldner mit anderen zusammen, um unrechtmäßig Vermögen beiseite zu schaffen, um so auch seinen Gläubigern zu schaden, greift die Vorsatzanfechtung mit vollem Recht, denn um eben solches Verhalten zu verhindern, wurde sie gesetzlich verankert. Mittlerweile scheint es aber so, als richte dieser Paragraph bzw. dessen Auslegung mehr Schaden an, als dass er seiner ursprünglichen Bestimmung gerecht wird. Die Politik muss JETZT handeln.

“Der Mythos von der hohen Moral der Richter ist ein Märchen. Dazu stehe ich noch heute.”
Wolfgang Neskovic – ehem. Richter am Bundesgerichtshof (LN vom 19./20.12.1999)

Weitere Informationen unter: http://www.bremer-inkasso.de/deutsch/aktuelles/bundesgerichtshof-bei-gerichtlichem-ratenvergleich-droht-rueckzahlung.html

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